Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch
Autoren: Gerhard Branstner
Vom Netzwerk:
schrie er mit schriller Stimme, ›ich bin ein Mensch! Das habe ich niemals vergessen. Ich habe einen Gedächtnisdefekt, aber daß ich ein Mensch bin, weiß ich genau!‹
    Die beiden Roboter traten noch einen Schritt näher, zogen ihm die Arme vom Gesicht und blickten ihn eine Weile an.
    ›Wenn du ein Mensch bist‹, sagte Nummer 15, ›dann ist der Arzt ein Idiot. Bist du aber ein Roboter, dann behaupte nicht länger, ein Mensch zu sein. Wenn der Arzt davon erfährt, nimmt er dich gänzlich auseinander.‹
    ›Aber was soll ich denn tun!‹ rief Nummer 18 verzweifelt. ›Behaupte ich, Mensch zu sein, nimmt mich der Arzt auseinander, und tue ich so, als ob ich ein Roboter wäre, läßt er mich verhungern.‹
    ›Spielen wir eine Partie Mühle‹, sagte Nummer 11, ›danach wird uns schon was einfallen.‹
    ›Wie kann ich jetzt Mühle spielen‹, sagte Nummer 18, ›ich bin ganz durcheinander.‹
    ›Eben‹, sagte Nummer 15, ›da ist Mühle gerade das Richtige.‹
    ›Wenn ihr meint‹, sagte Nummer 18 und kam zögernd aus der Ecke heraus.«
    An dieser Stelle nahm Fontanelli einen langen Schluck, denn die Zunge war ihm trocken geworden.
    »Eine hübsche Geschichte«, meinte Stroganoff blinzelnd, »nur etwas lang. Meine war kürzer.«
    »Immerhin ein origineller Einfall«, meinte Wirsing. »Ein Mensch, der versehentlich in eine Klinik defekter Roboter gerät, daraus läßt sich was machen. Ich verstehe nur nicht, warum die Geschichte ›Der Narr im Waisenhaus‹ heißt.«
    »Roboter werden nicht geboren und haben also auch keine Eltern«, erklärte der Automatendoktor, »daher hießen Roboterkliniken unter uns Ärzten schlechthin Waisenhäuser.«
    »Sehr sinnig«, meinte der Raumkoch. »Das ist wie ein Schlaflied auf Rollschuhen. Und wie geht es weiter mit unserem Narren?«
    »Wenn ihm inzwischen nichts Besseres eingefallen ist«, meinte Kraftschyk, »wird er noch immer mit den Robotern beim Mühlespiel sitzen.«
    Fontanelli warf Kraftschyk einen giftigen Blick zu, nahm noch einen Schluck und fuhr fort.
    »Die drei waren, nachdem sie einige Partien Mühle gespielt hatten, auf eine, wie sie glaubten, rettende Idee gekommen. Und als der Arzt zur üblichen Stunde Visite machte, verlangten außer Nummer 18 auch die beiden anderen etwas zu essen. Doktor Nischel machte ein entsetztes Gesicht. Doch ehe er ein Wort herausbringen konnte, rief Nummer 11: ›Wir fordern eine menschenwürdige Behandlung! Wir sind doch keine Maschinen! Und für die Nacht wollen wir Betten. Wir haben es satt, im Stehen zu schlafen!‹
    ›Jawohl‹, rief Nummer 15, ›wir haben uns lange genug zurückgehalten, aber wenn wir jetzt nicht endlich auf die Toilette dürfen, ist unsere Geduld zu Ende!‹
    Der Arzt griff sich an den Kopf und stürzte mit wehendem Kittel aus der Zelle. In seinem Zimmer angelangt, rief er alle Pfleger, die ausnahmslos Roboter waren, herbei und wies sie an, Nummer 11, 15 und 18 ab sofort wie Menschen zu behandeln. Doktor Nischel hatte davon gehört, daß man auf die Verrücktheiten von Menschen, will man sie nicht reizen, eingehen muß. Und sobald, dachte der Doktor, Roboter in ihrer Verrücktheit Menschen sein wollen, muß man sie logischerweise auch als solche behandeln. Das war zwar auch eine verrückte Idee, aber Doktor Nischel wußte sich nicht anders zu helfen und schickte die Pflegeroboter an die Arbeit. Die stoben davon, die erteilten Aufträge auszuführen. Einer schleppte den dreien einen Kessel Suppe hinein, die für zehn ausgehungerte Menschen zuviel gewesen wäre, ein anderer brachte Betten und stellte sie an den Wänden auf, ein dritter brachte die neuesten Zeitungen und Zeitschriften, während ein vierter Nummer 18 und die beiden Roboter auf die Toilette führte.
    In ihre Zellen zurückgekehrt, fiel Nummer 18 über das Essen her, und die beiden Roboter probierten die Betten aus. Da sie nichts dabei fanden, erhoben sie sich bald wieder und standen sinnlos in dem durch die Betten eingeengten Raum herum. Endlich machte sich der eine, dessen Defekt darin bestand, sich dauernd in der Berechnung von Größenverhältnissen zu irren, daran, die Betten auf den Tisch zu stellen, damit die Zelle geräumiger werde. Da die Betten verständlicherweise auf dem Tisch keinen Platz fanden, versuchte er, sie durch das Guckloch in der Tür zu schieben, was ebenfalls fehlschlug. Der andere Roboter, der als Chefdispatcher unbrauchbar geworden war, weil er die Materialreserven blödsinnig verteilte, nahm den Kessel mit der von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher