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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle
Autoren: Gabriele Diechler
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zurückreichenden Jahren hatte ich mich mit allerhand Themen und Thesen beschäftigt, auch mit Neumann. Doch da hatte ich auch Stippvisiten in die Gebiete der Neurologie und der Psychiatrie unternommen. Welche geheimnisvolle Verbindung mochte es zwischen Mordopfer und Mörder geben? Das hatte ich nie restlos herausfinden können, obwohl Neumann sich dazu selbstverständlich näher äußerte. Ähnliche Schwingungen schafften eine Verbindung zwischen einzelnen Menschen oder größeren Gruppen. Niedere Schwingungen, die mit Raub oder Mord einhergingen, suchten sich eine ähnlich ausgeprägte bei potenziellen Opfern. Jemand, der innerlich stark und unabhängig war, jemand, der keine Angst und wenig Zweifel hatte und in sich ruhte, wie man so schön sagt, wurde wesentlich seltener das Opfer eines Gewaltverbrechens. Und wenn doch, ging er völlig anders damit um als der gewöhnliche Mensch, der zur Rache neigte und die Schuld ausschließlich beim Täter suchte und fand.
    Aber was hatte all das mit den Erlebnissen der letzten Tage zu tun, fragte ich mich, als ich in der Küche vorm Herd stand, um mich mit einem Kaffee und einem Stück Himbeerkuchen abzulenken. Ich goss meine Tasse voll schwarze, köstlich dampfende Flüssigkeit, gab einen Würfel Zucker und einen Schuss Sahne dazu und rührte gedankenverloren um. Doch meine Vorfreude auf kulinarische Genüsse wurde vom Klingeln meines Handys unterbrochen.
    »Einsiedel!«, meldete ich mich. Draußen hinterließ die Stadt einen trostlos düsteren Eindruck. Wo eben noch die Sonne hervorgelugt hatte, türmten sich jetzt Wolkentürme, die an die Hochhäuser in New York denken ließen. »Ich bin’s, Frank«, hörte ich die Stimme von Hauptkommissar Frank Kastein, meinem Kollegen, mit dem ich seit über zehn Jahren zusammenarbeitete und auf den ich mich immer verlassen konnte. Zumindest, was die Beschaffung von Arbeit für mich anbelangte. »Wir brauchen dich, Lea. Kannst du dir Almut Lohmann näher anschauen? Wir kommen weder mit dem Verhör weiter und auch sonst ist alles gerade furchtbar unergiebig.«
    »Ich bin in einer halben Stunde da«, versprach ich und legte auf.
    Meine Kuchengabel bohrte sich in die Ecke des Himbeerkuchens, stach ein Stück heraus und führte es zum Mund. Ich kaute genüsslich und spürte die angenehme Säure der Beeren. Kaum hatte ich den Bissen hinuntergeschluckt, kam mein Vater herein. Unser vorhin verebbtes Gespräch war ihm offenbar auf die Stimmung geschlagen. Er blickte mürrisch drein, als habe er sich mit dem Wetter abgesprochen. »Kriege ich auch was ab?«, quengelte er, nahm einen Teller vom Bord und hielt ihn mir hin, damit ich ihn mit einem Stück Kuchen belegen würde.
    »Keine Zeit! Ich muss weg. Dienstlich«, entgegnete ich, ließ ihn mit seiner seltsamen Laune und dem Kuchen auf der Arbeitsplatte zurück und machte mich auf den Weg in die City. Ich ahnte bereits, dass es bei Almut unappetitlich werden würde. Das gehörte nun mal zu meinem Job. Doch wie anstrengend der aktuelle Fall tatsächlich war und in welche Zusammenhänge er mich hineinziehen würde, wie in einen Strudel, das konnte ich beim besten Willen und bei all meiner Vorstellungskraft nicht ahnen.

Sechs

    Ich hatte die Leiche tags zuvor zum ersten Mal zu Gesicht bekommen. Friedrich Lohmann lag auf dem Rücken. In Kopf und Herzgegend Flecke von gezielten Schüssen, die ihm das Leben genommen hatten. »Wieder einmal eine Missachtung des Glücks«, hatte ich betroffen gemurmelt, als ich mir Almuts Ehemann, der schätzungsweise Ende vierzig gewesen sein mochte, angesehen hatte. Mein Blick ruhte eine Weile auf ihm. Wie friedlich er dalag, stellte ich fest. Er schien auf dem Holzboden mitten im Wohnsalon der hinreißend schönen Villa, die mit viel Kunst und modernem Mobiliar bestückt und in einem der Nobelvororte der Stadt angesiedelt war, regelrecht zu ruhen. Ich nahm die sicher sündhaft teuren Bilder an den Wänden wahr, an denen mein Vater seine helle Freude gehabt hätte. Unter Garantie hätte er mir die Namen der Künstler aufgezählt wie ich ihm das Einmaleins der Psychologie.
    Hier draußen war alles ordentlich und teuer eingefriedet, in eine parkähnliche Gartenanlage gebettet und von einem eindrucksvollen Architektenhaus gekrönt. Eine Gegend, in die ich nicht allzu oft gerufen wurde, denn hier wurde weit weniger gemordet als im Rest der Stadt.
    Friedrich Lohmann war sauber mit zwei gezielten Schüssen erschossen worden, aber vom Täter fehlte jede Spur. Im Haus
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