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Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung

Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung

Titel: Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
Autoren: Andreas M. Sturm
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Witkowskis Anruf warten. Sie überlegte, ob sie sich etwas zu essen zubereiten sollte. Hunger hatte sie, aber absolut keinen Appetit. Sie belegte sich ein Brot, biss ab und kaute. Der Bissen schien in ihrem Mund immer größer zu werden. Karin bekam ihn nicht herunter. Bevor sich der Brechreiz einstellte, spuckte sie alles aus. Den Rest der Brotscheibe warf sie in den Müll. Sie nahm sich eine Flasche Wasser und setzte sich auf ihr Sofa. Licht machte sie keins. Sie saß einfach nur im Dämmerlicht, wartete und trank ab und zu einen Schluck Wasser. Karin ließ ihre Blicke durch ihr Wohnzimmer schweifen. Vielleicht, so dachte sie, sehe ich all diese Dinge das letzte Mal. Sie schaute auf das Buch, welches sie gern noch zu Ende gelesen hätte, betrachtete ihre Fotografien und all die kleinen Dinge, mit denen sie der Wohnung ihren ganz persönlichen Stempel aufgedrückt hatte. Karin mochte ihr Zuhause. Es war ihr Rückzugsort. Sie wollte wieder hierher zurückkehren. Karin war noch nicht bereit loszulassen. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, musste sie zugeben, dass sie eine Scheißangst hatte. Angst davor, zu sterben. Und Karin hasste Witkowski für das, was er Sandra und ihr antat. Sie versuchte, Kraft aus diesem Hass zu schöpfen. Kraft, die sie bitter benötigte, um entschlossen genug zu bleiben, dieses Himmelfahrtskommando durchzuziehen.
    Karin trank ständig. Die Stunden vergingen und es wurde dunkel in ihrem Wohnzimmer. Das Wasser in der zweiten Flasche ging zur Neige, trotzdem war ihr Mund trocken. Sie trank auch in dem Moment, als das Telefon klingelte. Karin erschrak so sehr, dass das Wasser ihr Kinn und den Fleece-Pulli nässte. Es war Witkowski. Karin hörte aus seiner Stimme die Anspannung heraus, obwohl er es durch seine sarkastische Ausdrucksweise zu überspielen versuchte: »Wie ich hörte, waren Sie erfolgreich. Und Ihre Partnerin ist sehr erfreut, dass Sie es sich verkniffen haben, Alarm zu schlagen. Nun, es wird Zeit. Fahren Sie zuerst zum Bahnhof Dresden-Neustadt. Ich gebe ihnen zwanzig Minuten. Ach, und wenn Sie angekommen sind, schalten Sie die Innenbeleuchtung Ihres Autos ein.«
    Danach brach das Telefonat abrupt ab. Karin sah auf ihre Uhr. 23:30 Uhr. Sie zog ihre Jacke an und nahm sich trotz der knapp bemessenen Zeit den Moment, die Wohnung mit einem Klebestreifen zu versiegeln.
    Um diese Tageszeit fuhren nur noch wenige Fahrzeuge auf den Straßen, so kam Karin sogar fünf Minuten früher an. Sie hielt sich an Witkowskis Anweisung und schaltete die kleine Lampe hinter dem Rückspiegel ein. Exakt 23:50 Uhr piepte ihr Handy. Witkowski nannte ihr eine Adresse und verlangte, dass sie zu Fuß dorthin gehen sollte. Er schloss mit den Worten: »Wenn Sie telefonieren, oder einen Anruf entgegennehmen, der nicht von mir ist, stirbt Ihre Partnerin, das gleiche gilt für den Fall, dass Sie mit jemandem auf der Straße in Kontakt treten. Wenn Sie die Adresse erreicht haben, hören Sie wieder von mir.«
    Karin lief los, dabei hielt sie den Beutel mit dem Kopierpapier in der linken Hand. Sie versuchte leise aufzutreten, damit sie Schritte in ihrer Nähe hören konnte. Aber weder sah noch hörte sie einen anderen Menschen. Die Gegend wirkte verlassen. Doch sie war sich sicher, dass Witkowski sie beobachtete, deshalb hatte er auch verlangt, dass sie die Innenbeleuchtung ihres Fahrzeugs anschaltete. Bei Karin stellte sich noch ein zweites Problem ein, sie musste dringend auf die Toilette. Die zwei Liter Wasser, die sie getrunken hatte, wollten ihren Körper wieder verlassen und das Bedürfnis wurde immer dringender.
    Karin stellte das Anliegen Schulter zuckend und sarkastisch lächelnd zurück. Was soll es noch, in einer Viertelstunde bin ich tot, dachte sie mit Galgenhumor, dann klärt sich dieses Problem von selbst.
    Die von Witkowski angegebene Adresse entpuppte sich als eine Baustelle. Ein ganzer Wohnblock wurde restauriert. Die beiden Kräne, die am Tag schwere Lasten bewegten, standen still. Die Arme der Baukräne waren durch die Dunkelheit nicht zu erkennen, so konnte Karin nur noch die Türme ausmachen. Sie erschienen ihr wie Schwurfinger, die sich in den Himmel reckten. Kaum hatte dieses Bild in ihrem Verstand Gestalt angenommen, meldete sich ihr Handy. »Nummer drei«, ordnete Witkowski an. »Steigen sie die Kellertreppe hinunter.«
    Karin folgte den Anweisungen. Sie betrat Haus Nummer drei. Der Geruch von feuchtem Beton schlug ihr entgegen. Die Arbeiten am Keller waren bereits abgeschlossen. Die
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