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Vollmondstrand

Vollmondstrand

Titel: Vollmondstrand
Autoren: Petra M Klikovits
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Voraussicht!
    Zum Milchregal, nein, da wollte sie jetzt nicht hin, davor stand schon wieder eine Patientin. Und diese kannte keine Zurückhaltung. Rosa machte kehrt und packte noch zwei Liter Haltbarmilch ein, dazu zwei Riesenpackungen Taschentücher. Die waren im Angebot und gingen nicht nur in diesem Geschäft weg wie die warmen Semmeln. Auch in der Praxis war der Verschleiß einer Familienpackung in 14 Tagen keine Seltenheit. Noch schnell zur Kasse und schon war sie wieder draußen. An der Tür fiel ihr ein: Sie hatte natürlich wieder etwas vergessen. Aber jetzt noch mal zurückgehen? Dazu hatte sie keine Lust. Sie würde am Nachhauseweg noch rasch in ein anderes Geschäft schauen. Vielleicht war die Dichte an Patientinnen dort weniger hoch. Den Korb auf dem Arm, trabte sie los.
    Wie betriebsam hier alles war, Autos, Menschen …, und das am Vormittag! Jeder schien schnellstens irgendwohin zu müssen, dabei waren sie draußen am Land und es war Sommer.
    »Ich spiel’ heute im Club. Kommst du?« Chris, ein jüngerer Freund Martis, schaute Rosa erwartungsvoll an. Gerade waren sie sich am Hauptplatz über den Weg gelaufen. Er war unterwegs zur Bank, und Rosa, um Katzenfutter zu besorgen.
    »Wir spielen das ganze Programm, du weißt schon. Alles, was du so magst.« Chris war in seinem Element, er unterhielt sich gerne mit dem weiblichen Geschlecht, das verriet die Art, wie er mit seinen Händen und den Augen sprach.
    Na, das ist ja ein Angebot, dachte Rosa. »Auch ›Let your soul be your pilot‹?«
    »Sicher, aber wie immer zum Schluss. Marti kommt auch, hat er gesagt, wenn es ihm ausgeht.«
    »Ja, der Herr Architekt.« Rosa wiegte den Kopf und fuhr fort: »Ich für meinen Teil schaue, was sich machen lässt. Bis heut Abend, hoffentlich!« Chris hauchte ihr zum Abschied charmant ein Luftbussi ins Haar, das konnte er gut. Groß war er nicht, schön war er nicht, aber er verströmte das gewisse Etwas, das ihn bei den meisten Frauen beliebt machte. Bei Bibi zum Beispiel. Sie hatte ein Faible für Typen wie Chris. Sie, die immer gut gelaunte, perfekt gestylte Frau mit der Cleopatra-Frisur, wusste einen Flirt mit einem jungen Musiker zu schätzen. Bei Rosa war das anders. Sie mochte die Musik der Jungs.
    Vielleicht verpasse ich da ja etwas, dachte sie, und ihre Stirn legte sich für einen Moment in Falten …
    Marti verbrachte die meiste Zeit mit Arbeiten, das wusste sie. Kalkulationen aufstellen, Bauansuchen einreichen, Pläne reinzeichnen. Alles Arbeiten, die man hinterher sehen konnte. Dafür beneidete Rosa ihn.
    In ihrer Welt war nichts so einfach wie in Martis Welt. War ›Ge-brauch‹ jetzt der Gegensatz zu ›Miss-brauch‹? Schon bei der Frage, worüber man eigentlich sprechen wollte, fing es an, kompliziert zu werden. Ein Haus dagegen stand fest oder stürzte ein. Das konnte jeder sehen, darüber ließ sich nicht diskutieren. Marti verstand Rosas Gedanken nicht. In seinen Augen hatte sie den perfekten Job, konnte alle Termine selbst einteilen, musste sich weder mit Subfirmen herumärgern noch mit der Konkurrenz abmühen. Jeden Tag hörte sie neue, interessante Geschichten und wurde von ihren Klienten in den Himmel gehoben.
    »Ich finde, du hast einen perversen Beruf, Rosa«, hatte ihr ihre Nichte Lina einmal anvertraut. Komisch, dachte sie, früher hat mich das nicht gestört. Nach 17 Jahren Therapie sehnte sie sich manchmal danach, etwas mit den Händen zu gestalten und hinterher ansehen zu können.
    Die Eibel, eine Frau, bei der Rosa in regelmäßigen Abständen ihren Seelenmüll entsorgte, hatte auch dafür, wie für alles, eine Erklärung. Wieder etwas, das es noch aufzuarbeiten gab, ein weiterer weißer Fleck in der Rosa’schen Erkenntnislandschaft. › Als Kind zu wenig mit Plastilin gespielt, vielleicht ?‹, klang es noch nach in ihrem Ohr.
    Und, was bringt mir das jetzt, hatte sie damals gedacht. Rosa wollte keine Erklärung und auch keine Deutung für ihre Sehnsucht. Sie wollte die Dinge einfach so stehen lassen, wie sie waren. Ja, sie forderte das Recht, nicht analysiert zu werden.
    Manchmal wollte sie lediglich ein ganz normales Leben.

4
    Ein weiterer müder Tag in der Praxis. Sprechstundenzeit. Rosa nahm den Hörer ab: »Guten Tag, Praxis Dr. Talbot.«
    »Einen wunderschönen guten Morgen! Ich bin Selbsterfahrungsexpertin mit Schwerpunkt ›Begeisterung für das eigene Leben ‹ «, flötete eine Stimme aus dem Hörer.
    »Knolli, bist du das?« Rosa klang verwirrt. Was hatte das zu
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