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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr
Autoren: Stephenson Neal
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Fahrer lehnte sich voll auf die Hupe. Mit der nächsten Spur ging es ganz einfach: Ein Erstsemester in einem Camaro aus New Jersey
    machte den Fehler, den Fuß vom Gas zu nehmen, und ich besetzte seine Spur. Der Arsch im BMW versuchte sich hinter mich zu drängen, aber die Hälfte der Radfahrer und die alte Tante im Benz hatten die Geistesgegenwart, vorzustoßen und ihm den Weg zu versperren.
    Nach zehn Sekunden tat sich in der dritten Spur eine Lücke auf, und ich schob mich rein, bevor der Camaro ausscheren konnte. Ich schob mich so aggressiv rein, daß eine Tippdame, zweite Wahl, in einem Civic auf der
    vierten Spur ausreichend langsam wurde, um mich
    draufzulassen (auf die Spur, meine ich). Und dann brach der Damm. Die tschadische Armee schritt zum Angriff
    und räumte die Kreuzung ab. BMW, Camaro und Civic
    konnten getrost den Motor abstellen und einen kleinen Spaziergang machen.
    Passanten und Penner applaudierten. Ein Anwalt mit
    sechsstelligem Einkommen, kaum alt genug zum
    Rasieren, kreuzte hinter mir auf und schrie zu seinem automatischen Schiebedach raus, ich hätte vielleicht Nerven.
    Ich sagte: »Erzähl mir was Neues, du mistiger Androide aus der Hölle.«
    Auf der Mass Ave Bridge rollte ich über den Charles. Ich stoppte auf halber Höhe, um einen Blick drauf zu werfen.
    Der Fluß und der Hafen sind mein Revier. Nicht viel
    Wind heute, und ich sog eine große Portion Luft in die Nüstern und überlegte mir, was für Dreck wohl in der Nacht in den Charles eingeleitet worden war. Klingt
    vielleicht primitiv, aber die menschliche Nase ist nun mal ein saugutes, höchst sensibles Analyseinstrument. Es gibt Verbindungen, für die dein Rüssel der beste Detektor ist, der je erfunden wurde. Zum Beispiel kann ich eine
    Menge über ein Auto sagen, wenn ich seine Auspuffgase rieche: wie gut der Motor eingestellt ist, ob es einen Katalysator hat, mit welchem Benzin es fährt.
    Und so beschnuppere ich hin und wieder den Charles, um zu sehen, ob mir was entgangen ist. Für einen Fluß, der nicht mal fünfzig Kilometer lang ist, kann er es an Breite und Schadstofffracht durchaus mit dem Ohio oder dem
    Cuyahoga aufnehmen.
    Dann über den Campus des Massachusetts Institute of Technology, zwischen den wuselnden Widerlingen mit den Fünfzigdollarlehrbüchern unterm Arm durch. Die
    Studenten sehen heutzutage so verdammt jung aus. Es ist noch nicht lange her, da ging ich auf der anderen Seite des Flusses zur B. U. und hielt diese Gartenzwerge für Kumpel beziehungsweise für Konkurrenten. Jetzt tun sie mir bloß leid. Und ich ihnen wahrscheinlich auch. Wenn man vom optischen Standard ausgeht, bin ich der
    Abschaum der Menschheit. Letzte Woche war ich auf
    einer Party, wo es nur so wimmelte von hundertprozentig echten Bostoner Yuppies, und die klagten alle darüber, wie aggressiv die Schnorrer im Common, unserem
    schönen Stadtpark, geworden seien. Mir war es nicht
    aufgefallen, denn mich schnorren sie nie an. Und dann ging mir plötzlich auf, warum: weil ich so aussehe wie einer von ihnen. Blue Jeans mit Löchern in den Knien.
    Tennisschuhe mit Löchern über den großen Zehen, genau an der Stelle, wo meine ungeschnittenen Zehennägel
    gegen die Rennhaken an meinen Pedalen scheuern.
    Mehrere Schichten T-Shirts, lange Unterhemden und
    Sweatshirts zur mühelosen Regulierung meiner
    Innentemperatur. Blondes Zottelhaar, das vielleicht
    einmal im Jahr geschnitten wird. Formloser roter Bart, der vielleicht zweimal im Jahr gestutzt wird. Nicht direkt dick, aber mit der reifen, konvexen Körperlichkeit
    gesegnet, die für den Konsument en von Bier und Junk food typisch ist. Keine Aktentasche, zielloser Blick, Tendenz zum Beschnuppern des Charles.
    Ich fuhr mit einem schönen Rad durchs MIT-Gelände,
    aber ich hatte es mit billiger Goldfarbe angesprüht, damit es nicht mehr so schön war. Sogar das Schloß sah aus wie der letzte Dreck: ein Kryptonite, total zerschrammt von Bolzenschneidern. Wir hatten es voriges Jahr ans Tor zu einem verseuchten Bauplatz gehängt, und die Leute hatten versucht, es mit dem falschen Werkzeug zu
    knacken.
    In Kalifornien hätte ich als Hacker durchgehen können, der zu irgendeiner High- Tech-Firma unterwegs war, aber in Massachusetts tragen sogar die Hacker Hemden mit
    Knöpfen. Ich strampelte durch Hacker-Territorium, an den kleinen High-Tech-Shops vorbei, die alle vom MIT
    leben, und dann weiter zu dem Platz, wo mein Laden sein regionales Büro hat.
    GEA, Group of Environmental Activists, Die
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