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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr
Autoren: Stephenson Neal
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das vorzustellen: einen Campus mit Bäumen und einem
    Teich.
    »So sieht es dort aus«, fuhr der Jogger fort. »Die Erde, der Teich - alles.«
    »Alles so bunt?«
    »Ja. Es ist psychedelisch.«
    Obwohl ich Chemiker bin, lehne ich psychedelische
    Drogen inzwischen ab, weil sie gegen Sangamons
    Prinzip verstoßen. Aber ich verstand, was der Typ
    meinte.
    Also setzte ich mich am nächsten Tag auf mein Rad und fuhr zum Sweetvale. Der Jogger hatte, weiß Gott, nicht übertrieben. Am einen Ende des Campus lag dieses
    verkrautete Wäldchen, in ein Dreieck vorspringend, das von einigen nicht gerade billigen Vororten gebildet
    wurde. Es wurde kaum genutzt. Und das war gut so, denn die Gegend um den Teich war die reinste
    Schwermetallkloake. Alle Farben des Regenbogens. Sah ein bißchen so aus wie Wasser, auf dem Benzin
    schwimmt, bloß daß das hier nicht nur an der Oberfläche war. Die Farben gingen bis ganz tief runter. Sie waren alle verschieden, und sie waren alle - Verzeihung, falls ich mich wiederholen sollte - krebserregend.
    Aus meinem Erstsemester-Grundkurs in physikalischer
    Geographie an der B. U. wußte ich verdammt genau, daß das kein natürlicher Teich war. Also lautete die Frage: Was war hier zuvor?
    Das rauszukriegen, war meine erste Aktion als
    Giftdetektiv, und kompliziert wurde es nur dadurch, daß ich mich bei meinen Recherchen in der Stadtbibliothek so scheißdumm anstellte. Schließlich lieferte ich mich auf Gedeih und Verderb Esmerelda aus, einer schwarzen Bibliothekarin zwischen fünfzig und scheintot, die unter ihrer bionischen Frisur alles verfügbare Wissen
    gespeichert hatte oder zumindest das Know-how, wie
    man an es rankam. Sie grub ein paar alte Urkunden für mich aus. Und natürlich hatte
    dort um die
    Jahrhundertwende eine Farbenfabrik prosperiert. Als sie später einging, vermachte der Besitzer das Gelände der Universität. Ein schönes Geschenk: zweieinhalb
    Quadratkilometer Gift.
    Ich rief GEA an, und der Rest ging in die Geschichte ein.
    Zeitungsartikel, TV-Berichte, die in meinem
    Schwarzweißgerät nicht so toll wirkten,
    Abwiegelungsbemühungen von Staat und Bund und ein
    Rattenschwanz von Prozessen. Zwei Wochen später bat
    mich GEA, ein paar Abwasserproben zu analysieren.
    Einen Monat später stand ich auf den Stufen des
    Parlamentsgebäudes von Massachusetts, an ein
    Giftmüllfaß gekettet, und ein halbes Jahr später wurde ich bei GEA Koordinator Nordost für den Bereich
    chemische Verseuchung.
    Mein Büro war so groß wie die Packkiste für ein Klavier, aber bitte - es war meins. Ich wollte einen Computer auf dem Schreibtisch haben, und keiner von den GEA-Oberen wollte mit so einem Teufelsding in einem
    Zimmer sitzen. Computer brauchen nämlich Chips, von
    denen einige PCBs enthalten, polychlorierte Biphenyle, die gern verdunsten und durch die Lüftungsschlitze des Computers entweichen, was zu Fehlgeburten und anderen mißlichen Dingen führt. Der Boß stellte mir sein Büro zur Verfügung und zog in den großen, scheunenartigen Raum um.
    Als Gomez, unser Mann für alles, die Wände dieses
    Raumes zu streichen begann, nahmen dieselben
    vorsichtigen Leute kaum Notiz davon. Er setzte sie damit giftigen Dämpfen aus, die millionenfach höher
    konzentriert waren als das, was aus meinem Computer
    kam. Sie nahmen kaum Notiz davon, weil sie an Farbe gewöhnt sind. Sie malen ständig was auf oder an. Ist so ähnlich wie mit dem Zeug, das sie sich unter die Achseln sprühen und in ihre Tanks einfüllen. Gomez wollte jetzt auch mein Büro streichen, aber ich ließ ihn nicht.
    Esmerelda, stets wachsam, hatte für mich gerade einiges aus dem Mikrofilmarchiv kopiert. Es handelte sich um Artikel aus dem Lighthouse-Republican, Erscheinungsort Blue Kills / New Jersey, eine Kleinstadt an der Küste, die demnächst meinen Zorn zu spüren bekommen würde.
    Der Lighthouse-Republican war die Art Zeitung, die immer noch uralte, verstaubte Comics in maximaler
    Größe brachte. Ein Superprovinz- und Käseblatt.
    Die Artikel waren aus dem Sportteil. Sport - wie Jagen und Angeln - findet im Freien statt, wo bekanntlich die Umwelt ist. Und deshalb erscheinen die
    Umweltnachrichten im Sportteil.
    Esmerelda hatte vier Artikel mit vager Öko-Thematik für mich ausgegraben, alle von verschiedenen Reportern
    (kein Spezialist dafür in der Redaktion, wird nicht als wichtig betrachtet). Eine
    Müllkippe, von der
    irgendwelcher Dreck in einen Mündungstrichter sickerte; eine Schnellstraße, die ein Feuchtgebiet
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