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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger
Autoren: Kristina Dunker
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Haaren passt.
    »Wow, die Farben sind suuuper!«, kreische ich undsie, die langen Strähnen nach oben ziehend und sich im Kreis drehend, schreit zu mir herauf: »Papa sagt, ich seh aus wie Kaviargelee an geeistem Himbeersorbet!«
    Ich biege mich vor Lachen, besonders als ich den Blick ihres Vaters sehe. Markus Bärlauch ist so ziemlich alles unangenehm, was ein fragwürdiges Licht auf seine Familie und ihn werfen könnte. Wie steif er jetzt neben dem bereits aufgeklappten Kofferraum steht und an seinem Hemdkragen nestelt! Wahrscheinlich macht er das Geräusch, das er immer macht, wenn er mich sieht: ein röchelndes Räuspern, als habe er eine Fischgräte im Hals. Und ganz bestimmt kann er sich kaum zurückhalten zu zischen: »Müsst ihr denn so ein Geschrei veranstalten?« Er ist nämlich keineswegs so locker, wie er sich mittwochabends beim Showkochen im Fernsehen gibt. Klar, nett ist er, aber als er jetzt mit zusammengepressten Lippen die Hand hebt, um meine Familie zu begrüßen, die hinter mir auf den Balkon getreten ist, glaube ich zu spüren, dass er sich eigentlich einen anderen Umgang für seine Tochter wünscht. Ein bisschen kann ich ihn sogar verstehen, allein schon wegen des üblen Geredes, das es letztens über mich gab, und sicher auch wegen meiner Familie. Er sieht meinen Bruder als einen Kiffer und meine Eltern sind für ihn »nur« die Hausmeister des Fußballvereinsheims, die auch noch direkt darüber wohnen.
    Vielleicht tue ich Herrn Bärlauch aber auch unrecht, denn als ich nun meine Taschen und die Campingausrüstunghinunterschleppe, kommt er mir entgegen, nimmt mir die Sachen ab, reicht mir mit seinem blendendsten Lächeln die Hand und sagt: »Ich freu mich, dass ihr beide zusammen Ferien macht.«
    »Ich mich auch. Es ist toll, dass Sie uns zum Campingplatz fahren.«
    Dann drücke ich meine Freundin. »Wirklich super«, sage ich noch mal mit einem anerkennenden Blick auf ihre Frisur. »Ich hätte mich auch neu stylen sollen.«
    »Wolltet ihr nicht zelten gehen? Ihr seht eher so aus, als wärt ihr auf dem Weg nach Ibiza«, brummt mein Bruder und stellt einen großen Pappkarton in den Kofferraum. »Das ist von uns, nachträglich zum Geburtstag, Ida. Kleine Überraschung, kannst du auf dem Campingplatz bestimmt brauchen.«
    »Ich mache das erste Mal Camping«, kichert sie und ringelt eine ihrer langen Haarsträhnen wie eine junge Korallenschlange um den Zeigefinger. »Danke, Malte, was ist denn drin? Ein Springteufel?«
    »Unseren Springteufel hast du doch sowieso dabei.« Meine Mutter ist auch heruntergekommen, langsam und schnaufend, denn in letzter Zeit hat sie noch mehr zugenommen. »Kummerspeck«, pflegt sie zu sagen und in meine Richtung zu blicken, warum eigentlich immer in meine? Malte ist im sechzehnten Semester seiner Sozialdingsda, verpulvert mein Taschengeld für seine Studiengebühren, schläft bis in die Puppen und sitzt den Rest des Tages mit seinen Kumpels im Havanna-Café. Ichdagegen handele zwar manchmal unüberlegt und bin ein bisschen wild, aber an sich ganz harmlos.
    »Tja«, sagt Idas Vater, »glücklicherweise kann da, wo unsere beiden hinfahren, nicht viel passieren, ist eine ruhige Gegend. Mehr Natur als alles andere. Es gibt allerdings ein recht gutes Restaurant. Aber … äh, das spielt ja hier keine Rolle.«
    »Nöö«, sagt meine Mutter und grinst breit. »Für uns sowieso nicht. Wir machen alles selbst.« Sie zeigt stolz auf das mickrige Gemüsebeet, das sie neben dem Platz angelegt haben. »Und Papa nutzt immer den großen Grill vom SC Oberwacker, Papa ist unser Meetre oder wie das heißt.«
    »Mâitre de la Cuisine.« Ida kann’s nicht lassen, das Spiel weiterzutreiben, knufft ihren Vater provozierend in die Seite, und Markus Bärlauch,
der Spezialist für natürliche Spitzenküche
, wird noch verlegener.
    »So meinte ich das nicht«, sagt er, kämpft mit dem Widerstand in seiner Kehle und weiß wohl selber nicht, wie er es meint.
    »Wollen wir dann los?«, frage ich ungeduldig. Ich hab Hummeln im Hintern, kann es nicht erwarten aufzubrechen.
    »Ja. Auf Wiedersehen!« Idas Vater setzt sich ins Auto.
    Ich sage Malte »tschüss« und bin überrascht, dass er mich umarmen will. »Ich hätte mich deinetwegen beinahe gerade ganz schön langgelegt«, protestiere ich und will ihn beleidigt wegschieben, lasse es aber, als ich seinen erschrockenen Blick sehe. Malte kanneinfach nicht anders, er stellt dauernd irgendwem ein Bein, das ist sein albernes Naturell, das liegt in der
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