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Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche
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Dienst, den man ihr abverlangt hatte, erheblich viel mehr steckte, als sie oder sonst irgend jemand sich hätten ausmalen kö n nen.
    Nun schweifte der Blick des Richters zu dem Saal hinüber, wo der S i murgh hockte. »Das gleich gilt für dich. Akzeptierst du das, Simurgh?«
    JA. Auch dies überraschte niemanden. Schließlich war es ja ihr Küken.
    Der Blick richtete sich nun auf eine andere Kreatur, die Metria bisher nicht bemerkt hatte, vielleicht, weil sie jetzt erst sichtbar wurde. Es war ein großes Pferd, so schwarz wie der Mitternachtshimmel, von dem die kleinen hellen Lichter der Sterne abstrahlten. Das war Nachthengst, der Herr des Traumreichs! »Auch dich rufe ich in die Pflicht. Akzeptierst du das, Trojan?«
    Das tue ich. Das Pferd von der Anderen Farbe verblaßte wieder.
    Jetzt wandte sich der Richterblick wieder der Angeklagten zu, die den Schnabel hob, um ihn zu erwidern. »Zur Erleichterung der Ausübung deiner weiteren Pflichten, die dir nun auferlegt wurden, Roxanne Roc, wird deine Flugfähigkeit hiermit wiederhergestellt und erweitert. Dir wird die Freiheit gewährt, ohne Einschränkung in Ausübung deiner Aufgabe jeden Ort Xanths aufzusuchen. Keine Kreatur und kein Gegenstand soll dich in irgendeiner Weise daran hindern, unter Androhung der Verba n nung ins Reich der Träume und der Bestrafung durch den Nachthengst und seine Nachtmähren.« Stöhnendes Gemurmel im Saal; es war kein schlimmeres Schicksal denkbar, als auf alle Zeiten in Alpträumen gefa n gen zu bleiben. »Du wirst alle für erforderlich erachteten Schritte unte r nehmen, um die Sicherheit und das Wohlergehen deines Schützlings zu gewährleisten, und zu diesem Behufe steht es dir zu, dich der Dienste eines jeden Lebewesens und Gegenstands in ganz Xanth zu vergewi s sern, sollte dies erforderlich sein. Denn das vor dem Schlüpfen befindl i che Küken…« Fetthuf musterte sein linkes Handgelenk. »… wird in einem Dreiviertelmoment dazu bestimmt sein, Nachfolger des Simurgh zu werden, wenn dieser sich zurückzieht. Es bedarf daher der besten Erziehung und Ausbildung sowie der ständigen Obhut und Fürsorge, in guten wie in schlechten Zeiten. Das Gericht hat sich davon überzeugen können, daß du für diesen Dienst ausreichend qualifiziert bist.«
    Ein ehrfürchtiges Murmeln durchzog Publikum und Geschworene n bank. Metria begriff, daß Roxanne Roc soeben in die mächtigste Stellung Xanths befördert worden war, eine Folge der großen Bedeutung ihrer Aufgabe. Das Urteil war nicht etwa eine Strafe, sondern vielmehr eine Belohnung für ihren außerordentlich treuen Dienst. Damit hatte keiner der Geschworenen gerechnet!
    »Und weil diese Mission in der Tat noch einige weitere Jahrhunderte in Anspruch nehmen kann, soll der Zauber, der dir bislang deine Jugend erhalten hat, für die Dauer dieser Aufgabe verlängert werden. Du wirst solange nicht altern, bis du deine Aufgabe erfüllt hast.« Richter Fetthuf hob den Blick. »Jetzt ist die Zeit gekommen.«
    Wieder schlug der Hammer zu und erschütterte das Schloß. Es gab e i nen lauten Knacks, als sei etwas außerordentlich Hartes zerbrochen. Roxanne krächzte und sprang aus dem Nest.
    »Oh!« dolmetschte Grundy.
    Das Ei brach auf. Es zerfiel in zwei Teile. Während dies geschah, ve r nahm man das Rauschen von Flügeln, und ein Storch flog herbei, im Schnabel ein Bündel. Er landete auf dem Nest, das Roxanne gerade fre i gegeben hatte, setzte das Bündel ab und holte etwas daraus hervor – ein flauschiges Handtuch. Dieses Handtuch gab er in das geöffnete Ei und trocknete damit jemanden im Innern desselben ab. Dann ließ er das Handtuch fahren.
    Metria sah verwundert zu. Wenn der Storch die Vögel brachte, was sollten dann die Eier? Und wie hatte sich das Küken dann überhaupt im Ei aufhalten können, um das schlimme Wort zu hören? Dann wurde ihr klar, daß es sich wahrscheinlich eher um einen Höflichkeitsbesuch ha n delte, um das Schlüpfen zu überwachen und sicherzustellen, daß alles seinen gewohnten Gang lief. Denn immerhin war dies ja kein gewöhnl i ches Schlüpfen.
    Aus dem Handtuch stieg Das Küken. Es schillerte in der doppelten Anzahl der Farben des Regenbogens, funkelte wie eine Kollektion bri l lantgeschliffener Edelsteine. Insgesamt betrachtet war es das schönste und kostbarste Küken, das jemals jemand zu Gesicht bekommen hatte.
    Es blinzelte – und erblickte Roxanne. »Piep!« rief es.
    »Amme!« dolmetschte Grundy.
    Das Küken ging auf Roxanne zu, die eilig in ihr
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