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Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche
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mit ihr gespielt, bis das Glück ihre Seele schwerelos und beschwingt gemacht und ihre Fesseln gel o ckert hatte, um sie um so leichter zu stehlen. Völlig gefühllos hatte er ihren wertvollsten Besitz geraubt. Dafür sollte er ihr büßen.
    Tatsächlich wollte sie ihn umbringen. Doch gleichzeitig fürchtete sie, er könne zurückkehren, falls er merken sollte, daß er gar nicht ihre vol l ständige Seele erwischt hatte. Sie wußte nicht, wie sie auf ein Wieders e hen reagieren würde, schließlich war es der Hauptteil ihrer Seele gew e sen, der ihn am meisten geliebt hatte. Irgendwie fürchtete sie sich, daß sie, sollte sie ihn aufspüren, nicht imstande sein könnte, ihn zu vernic h ten, und zwar wegen jenes kleinen bißchens Liebe, das noch in ihr war, und daß er sie dann gänzlich vernichten könnte, sie ihrer letzten Stücke und Seelenteile berauben, um sie schließlich verödet zurückzulassen. Deshalb war sie sich nicht sicher, ob sie ihn töten sollte und ob sie dies überhaupt fertigbrächte. So rang sie mit den Ungeheuern in ihrem Geist und versuchte zu einer eindeutigen Entscheidung zu gelangen.
    Im Traum erschienen jene Ungeheuer persönlich; sie glichen zwei Wasserspeiern und einem wandelnden Skelett. Kim kämpfte gegen sie an, doch ihr Messer konnte gegen Stein und Knochen nichts ausrichten, und so mußte sie bald den Rückzug antreten.
    Sie erkannte, daß sie nicht das einzige Opfer war. Dug mußte vor ihr dasselbe auch vielen anderen Mädchen angetan haben. Oh, das machte sie noch wütender! Vielleicht würde sie es doch übers Herz bringen, ihn zu vernichten.
    Da erschien Dug wieder. Sie wußte, was er wollte: den Rest ihrer Seele, der sich schon ein wenig erholt und regeneriert hatte. Sie wußte auch, was sie tun mußte: ihn erstechen. Doch er sah so gut aus, und sie hatte so viel Spaß mit ihm, und seine beiden traurigen Zentaurenreittiere w a ren doch so nett. Er brachte ihr eine Süßpastete, die sie garantiert süß machen würde. Er versprach ihr, sie auf einen Ausflug zum flaschenn a sigen Zweck zu bringen, einem von Xanths hilfsbereitesten Meeresw e sen. Er sagte, sie könnten gemeinsam einen Besuch in der Waschstraße unternehmen, deren Bewohner stets blitzeblank gewaschen waren. Es klang alles so verlockend!
    So umwarb er sie aufs neue, und obwohl sie es eigentlich besser wußte, merkte sie, wie sie wieder nachgab. Sie hätte doch zu gern geglaubt, daß alles stimmte, daß sie ihre Freude mit ihm teilen könnte wie schon ei n mal, und daß der Verlust ihrer Seele nur ein Alptraum gewesen war. Sie wollte ihn so gerne lieben. Zugleich war ihr aber klar, daß sie sich völlig töricht benahm und ihn eigentlich töten sollte. Sie rang darum, die Hand an das verborgene Messer zu führen, es herauszuholen und ihn zu erst e chen, doch ihre Willenskraft war schwach und verblaßte immer mehr.
    Dug nahm sie in die Arme und legte die Lippen auf ihre. Jetzt würde er es tun! Jetzt würde er ihr auch noch den mageren Rest ihrer Seele au s saugen und sie völlig entleert zurücklassen.
    Sie unternahm eine letzte Anstrengung. Ihre Messerspitze schnellte ein Stück in die Höhe. Erstechen konnte sie ihn zwar nicht, nur seine Kle i dung ein wenig durchbohren.
    Da explodierte er wie ein platzender Ballon. Überall stoben die Seelen umher. Einige waren ganz frisch, andere verfault; manche in gutem Z u stand, einige schrecklich eingeschrumpft. Es waren Hunderte, vielleicht Tausende von ihnen – und doch hatte er in seiner Gier nach immer mehr verlangt. Er war bis zum Bersten mit Seelen angefüllt gewesen, und ihr winziger Nadelstich hatte den Ausschlag gegeben. Schließlich hatte sie ihn doch noch umgebracht.
    Kim war ernsthaft erschüttert, zugleich entsetzt, angewidert und eing e schüchtert, verfügte aber doch noch über ausreichend Verstand, um ihre eigene Seele einzufangen, bevor sie davonschwebte, und sie wieder in sich aufzunehmen. Es war eine von den Seelen in gutem Zustand – sie hatte noch keine Zeit gehabt, sich zu zersetzen. Jetzt war Kim wieder vollständig!
    Auch die beiden Zentauren griffen nach ihren Seelen. Dann löste sich ihre Traurigkeit auf und sie lächelten. »Du hast uns gerettet!« sagten sie zu Kim. »Du bist eine Heldin!« Sie spreizten die Flügel und flogen frö h lich nach Hause, nicht länger gefesselt an den, der ihre Seelen gestohlen und sie ausgebeutet hatte.
    Und so kehrte denn auch Kim nach Hause, sie fühlte sich jetzt um e i niges besser, auch wenn sie es bedauerte,
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