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Voellig durchgeknallt

Voellig durchgeknallt

Titel: Voellig durchgeknallt
Autoren: Ally Kennen
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ausgebrochen. Chas, der Ausbrecherkönig. Bloß bin ich dabei nicht besonders zartfühlend vorgegangen. Ich war sauer, weil ich fand, dass ich es echt nicht verdient hatte, da oben zu hocken. Alles, was ich an dem Tag angestellt hatte, war:
Alle Chipstüten aus dem Schrank stibitzen
Das Klo mit drei Rollen Klopapier verstopfen
Den Teppich im Wohnzimmer anzünden, um zu sehen, wie schnell er brennt
Meine älteste Pflegeschwester zum Heulen bringen (ich hab ihr gesagt, dass sie hässlich ist)
    |36| So schlimm ist das ja wohl auch wieder nicht. Ich war doch noch ein kleiner Knirps. Ich hab halt rumexperimentiert. Da hab ich inzwischen schon ganz andere Dinger gedreht.
    Die Dachbodenluke war von außen abgeriegelt. Ich hab so vor mich hin überlegt   … wenn der brennende Teppich vielleicht doch noch nicht ganz gelöscht ist   … sondern am Rand weiterschwelt? Und wenn das Feuer wieder aufflackert, wenn alle aus dem Zimmer sind und keiner mehr aufpasst? Wenn es die Wände hochzüngelt bis zum Dachboden und ich bei lebendigem Leib verbrenne? Ich saß in der Falle. Ich musste unbedingt hier raus! Die Angst machte mich noch stärker als Killer-Juby.
    Ich schaute zum Oberlicht hoch, aber mir war schon klar, dass ich da nie im Leben durchpassen würde, außerdem war das Dach lebensgefährlich steil. Je länger ich mir den Kopf zerbrach, desto panischer wurde ich. Ich stieg von dem Podest und balancierte über die Balken, bis ich direkt über dem Bett meiner Pflegeeltern stand. (Frag nicht, woher ich das wusste, ich verrate nur so viel, dass sie mich manchmal aus irgendeinem albernen Anlass oben eingesperrt haben, damit sie sich eine kleine Auszeit gönnen konnten, wenn du verstehst, was ich meine.) Und dann habe ich Folgendes gemacht: Ich bin mit voller Wucht von dem Balken runtergesprungen. Der Boden hat ordentlich nachgegeben und ein fetter Riss war zu sehen. Ein Stück Putz ist abgeplatzt und ich konnte unter mir tatsächlich die Steppdecke erkennen. Und dann hab ich es ganz schlau angestellt. Mir fiel ein, dass es vielleicht wehtut, wenn ich durch die Decke krache, und dass ich mir |37| meine zarte Haut an den ganzen zerbrochenen Latten und Gipsplatten aufschürfe. Darum bin ich zu den Koffern zurückbalanciert, hab mich erst mal wieder eingekriegt und zwei olle Männerhosen und zwei dicke, muffige, kratzige Pullis übereinander angezogen. Die Hosen waren so lang, dass ich sie hochkrempeln musste. Ich hab sogar noch eine Mütze gefunden, die aussah wie Omas Teewärmer, die hab ich mir tief ins Gesicht gezogen. Ich muss ausgesehen haben wie ein Bekloppter. Dann bin ich wieder zu dem Loch.
    Ich bin voll brutal zwischen die Querlatten gesprungen, hab die Beine ganz steif gemacht und mir vorgestellt, ich wär eine Abrissbirne. Ich hab die Augen zugekniffen und hab gehört, wie das Holz splittert und die Gipsplatten durchbrechen. Es hat irgendwie verbrannt gerochen. Ich hab gespürt, wie es unter meinen Füßen nachgibt. Der Staub ist mir in die Nase gestiegen und ich bin mit einem donnernden Nieser einen Stock tiefer auf dem Bett gelandet.
    Ich bin mit dem Gesicht nach unten aufgekommen und zum größten Teil auf dem Bett. Da lag ich nun, der kleine Chas Parsons, dreiviertel auf dem Bett seiner Pflegeeltern und von oben bis unten voll Gips, Tapete und Styropor.
    Daraufhin haben sie mich rausgeschmissen. Ich bin also nicht nur vom Dachboden geflohen, sondern auch gleich dieser Familie entkommen.
    Midge und Guys Jüngster, Alex, war damals noch ganz klein. Ich bin jetzt fünfzehn, da muss er inzwischen ungefähr acht sein. Womöglich hockt er grade eben auf dem Dachboden und wartet drauf, dass ein Flugzeug am Oberlicht vorbeifliegt. Wetten, er sieht auch bloß Tauben?

|38| Drei
    Wie jeden Samstagmorgen weckt mich Gebrumm, weil Oma die Küche saugt. Als Allererstes schlucke ich ein paar Tabletten, dann schließe ich mich im Bad ein und wickle Klopapier und Pflaster von meinem Finger. Eigentlich mag ich ihn nicht anfassen, aber er sieht aus, als ob er mal gewaschen werden sollte. Er ist dick und prall wie eine Wurst und ungesund rötlich. Sieht aus wie ein Verkehrsunfall. Vorn suppt gelbliches Zeug raus. Ich zwinge mich, richtig hinzusehen. Zumindest kann ich keinen Knochen erkennen, nur lauter Blut, Fleisch und faserige Fitzel. Ich muss mich auf den Klodeckel setzen, weil mir schwindlig wird. Dabei stoße ich aus Versehen mit der Hand gegen die Wand und ein Blutstropfen fällt auf Omas gehäkelte weiße Toilettenumrandung.
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