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Voellig durchgeknallt

Voellig durchgeknallt

Titel: Voellig durchgeknallt
Autoren: Ally Kennen
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Ich lasse warmes Wasser ins Waschbecken ein, krame im Schränkchen nach Jodlösung und gebe einen Schuss ins Wasser. Als ich den Finger eintauche, brennt es, aber kein Vergleich zu gestern – Omas Schmerzpillen sind ziemlich stark. Ich tupfe den Finger mit Klopapier ab und packe ihn vorsichtig wieder ein. Ich muss mir richtigen Verbandsmull besorgen, desinfizierende Salbe und noch mehr Pflaster. In meinem Zimmer klebe ich den Klopapierverband mit Tesa fest. Dann muss |39| ich mich wieder setzen. Es ist schon fast Mittag und ich habe Hunger. Das heißt, ich muss runtergehen und den beiden Irren unter die Augen treten, bei denen ich wohne.
    Unten ist Oma fertig mit Kücheputzen. Sie sitzt jetzt im Wohnzimmer hinter der Küche und guckt Fernsehen.
    Oma kocht gar nicht gern. Angeblich kauft sie deshalb kein frisches Gemüse, weil es nicht sterilisiert ist. Sie stopft lieber das Gefrierfach mit Tiefkühlgerichten voll. Das Zeug schmeckt lecker und ich bin schon richtig süchtig danach. Ich hole mir eine Moussaka raus und stelle die Mikrowelle auf dreieinhalb Minuten.
    »Hast du das gehört?«, ruft Oma. »Minderjährige Mütter sollen jetzt vierzig Pfund pro Woche kriegen. Die sollen gefälligst arbeiten gehen!«
    Ich gehe durch ins Wohnzimmer, sage aber nichts. In einem Wortgefecht mit Oma ist man immer der Verlierer.
    »Sich um ein Baby zu kümmern, ist genug Arbeit«, meint Mum und schaut von ihrem silbernen Handspiegel auf. Sie legt grade »Elfenstaub«-Lidschatten auf, passend zum »Magic Pink«-Lippenstift, den sie in der Drogerie entdeckt hat. Mum hat einen Elfentick. Sie hat Küchenhandtücher mit Elfen drauf, Elfensocken, Elfen- T-Shirts , Elfentassen, Elfenschmuck. Sie kauft alles, was auch nur entfernt mit Elfen zu tun hat. Alle diese Elfensachen wären ein bisschen magisch, behauptet sie, und das hätte sie dringend nötig. Eigentlich logisch, denn seit Selby tot ist, lebt sie selber irgendwie im Märchenland.
    »Wenn die solche Blagen großziehen wie du, Caroline, haben sie keinen Penny dafür verdient.« Omas Augen funkeln |40| streitlustig. »Die Jugend von heute   … bleib mir bloß weg mit der. Lauter Schnorrer und Kriminelle, wenn du mich fragst.«
    »Meinst du etwa mich, Oma?« Ich stibitze ein Karamellbonbon aus Omas rosa Porzellanschale auf dem Couchtisch.
    »Leg das wieder hin, elender Dieb!« Oma haut mir auf die Pfoten.
    Ich stecke das Bonbon in den Mund, spucke es wieder aus und lege es zurück in die Schale. Dann grinse ich Oma an.
    »Raus mit dir, verdammter Bengel!«, kreischt Oma, kramt wie irre in der Bonbonschale und sucht das angelutschte Exemplar. Als sie es gefunden hat, steckt sie es selber in den Mund.
    Mum lächelt mich an. Ihr Lächeln ist wie feiner Nieselregen an einem Sonnentag. Manchmal wär’s mir lieber, sie würde mit den Glückspillen aufhören. Man hat immer den Eindruck, dass sie sich hinter einer Maske versteckt.
    Oma widmet sich wieder der Glotze, und es dauert keine Minute, da beschimpft sie schon wieder den Bildschirm. Mum nutzt die kurze Feuerpause, um mich ein bisschen zu bemuttern.
    »Hallo Chas.«
    »Hallo.« Die Mikrowelle in der Küche macht
pling
. Ich gehe rüber und schaufle mir das Zeug rein. Hinterher mache ich wieder einen Abstecher ins Wohnzimmer, um noch ein Bonbon zu klauen. Als ich in die Schale greifen will, fällt mir etwas auf.
    |41| »Was hast du da an, Mum?«
    »Die reinste Geldverschwendung«, gibt Oma ihren Senf dazu.
    Mum trägt einen dunkelroten Rock und eine schwarze Bluse mit Kräuselärmeln. Ihr Bauch verschwindet darunter. Sie sieht ein bisschen besser aus als sonst.
    »Na, wie gefall ich dir?«, fragt sie. Klar, dass sie jetzt was Nettes hören will. Oma gibt ein komisches Brummen von sich. Klar, dass ich was Gemeines sagen soll.
    »Mum«, sage ich, »du siehst wie eine Königin aus.«
    Oma schnaubt verächtlich und dreht den Fernseher lauter.
    Mum lächelt. »Danke schön, Chas.«
    »Red ihr nicht auch noch zu!«, schimpft Oma. »Das nimmt ein böses Ende!«
    Oma rechnet immer mit einem bösen Ende. Sie hat auch damit gerechnet, dass der neue Spielplatz ein Brennpunkt von Bandenkriminalität wird (womit sie nicht ganz danebenlag), und sie und ihre Busenfreundin beziehungsweise Erzfeindin Dolores-von-gegenüber haben eine Unterschriftenaktion gegen die neue Sofort-Ambulanz organisiert und behauptet, so ein Angebot würde sämtliche Junkies in unsere Gegend locken (dabei sind die längst hier).
    Oma dreht sich nach mir um. »Sie hat eine
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