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Viviane Élisabeth Fauville

Viviane Élisabeth Fauville

Titel: Viviane Élisabeth Fauville
Autoren: Julia Deck
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Wein, Weißwein, ja, Weißwein ist sehr gut. Auf der anderen Seite der Glasfront spucken die acht Löwen des Brunnens Wasser wie Lamas. Viviane verliert schnell das Interesse an ihnen, kaut auf einem Stück Sandwich herum, sieht auf der Theke die neuste Ausgabe von
Le Parisien
liegen und hört auf zu kauen.
    Die ersten Seiten, die sie nicht betreffen, überblättert sie, verweilt bei der dreizehnten, die vermischte Nachrichten verspricht, insbesondere bei einer »Tötungsdelikt« überschriebenen Kurzmeldung unten links auf der Seite. »Eine Sekretärin erschießt ihren Ex-Lebensgefährten.« Das hilft ihr nicht weiter. Eine neununddreißigjährige Frau ist drei Stunden nach der Tat in ihrer Wohnung festgenommen worden, in Cambremer, Département Calvados. Die Ermittler kennen ihr Metier, sie sind spezialisiert auf diese Art von Amateur-Kriminellen. Was also macht die Polizei? Es ist halb eins. Der Arzt ist seit gestern Abend tot, man wird ihn wenig später entdeckt haben, ein Patient, eine beunruhigte Gattin, der die Lammkeule eintrocknet, die Petersilienkartoffeln kalt werden. Es wird Gewimmer und Geschrei gegeben haben, ein Nachbar wird zu der Bühne geeilt sein, wo sich das Drama ereignet hat, dann wird er unter den verstörten Augen der Witwe die 17 gewählt haben.
    Früher oder später wird das Telefon klingeln. Ein Inspektor wird wissen wollen, wie Viviane ihren Abend verbracht hat, warum sie kurzfristig um einen Termin gebeten hat, weil der Morgen-Patient, der gerade bei dem Arzt war, als dieser ihren Anruf angenommen hat, davon berichtet haben wird. Man braucht bloß den Anrufspeicher des Psychoanalytikers durchzugehen, um zu wissen, wer mit ihm gesprochen hat, wie dumm du bist, Viviane, du bist wirklich zu dumm, du hättest das Telefon mitnehmen sollen, das lag dort auf dem Schreibtisch, du erinnerst dich sehr gut daran.
    Sie faltet die Zeitung zusammen. Befragt auf der Rückseite das Horoskop. »Liebe: Etwas ändert sich im Verhältnis zu Ihrem geliebten Menschen. Erfolg: Sie könnten sich an einer Art Wendepunkt befinden. Gesundheit: Ein wenig nervöse Anspannung.« Trinkt ihr Glas aus und verlässt das Lokal in Richtung Faidherbe-Chaligny, erwägt den Untergrund, beschließt dann, zu Fuß weiterzugehen. Sie läuft und überlegt immer schneller unter den systematisch aneinandergereihten Wolken. Mit ein bisschen Glück sind die Beamten überarbeitet. Und dann, wie hoch liegt die Aufklärungsrate bei Totschlagsfällen, 80% nach den Statistiken des Innenministeriums, Justizirrtümer nicht eingerechnet, macht mindestens 20% Chancen, unbescholten davonzukommen, denkt sie, während sie die Rue Faidherbe, dann die Rue Saint-Maur hochgeht. Außerdem gibt es weder eine Vorstrafe noch ein Motiv, und in den Dossiers des Arztes sicher nichts Belastendes, so uninteressant, wie er sie als Patientin fand. Viviane geht nordöstlich um das Saint-Louis-Krankenhaus herum. Hundertfünfzig Meter rechts, dann ist sie wieder an der Place du Colonel-Fabien, und jetzt geht es immer geradeaus, und jetzt beginnt in der Tasche ihres weiten grauen Mantels das Telefon zu vibrieren.

4
    Zurückgesetzt von der Place Maubert, versteckt hinter kleinen Geschäften, nimmt das Zentralkommissariat des 5. Arrondissements einen breiten Häuserblock zwischen dem Boulevard Saint-Germain, der Rue de la Montagne-Sainte-Geneviève, der Rue des Carmes und der Rue Basses-des-Carmes ein. Seine Architektur, sei dies nun von den Erbauern beabsichtigt oder nicht, ist beeinflusst von der Militärästhetik, wie sie sich an den französischen Küsten in Form von Bunkern und U-Boot-Häfen entfaltet, die von den Deutschen während der Besatzungszeit errichtet wurden. Ziemlich hässlich.
    Als Viviane und ihre Tochter, ihre feuchten Fäuste ballend, die Eingangshalle durchqueren, wecken sie nicht das geringste Interesse bei den Polizisten, die verschwörerisch um den Schalter herumstehen. Doch die Auskunftsdame betrachtet die Mutter dann doch sehr genau und sogar ein wenig argwöhnisch, als sie erfährt, weshalb sie kommt, vorgeladen von Kommissar Philippot, das heißt, sie weiß nicht, was man von ihr will, sei still, Viviane, du verhedderst dich, du reitest dich rein, sei still. Fahren Sie in den dritten Stock hoch, er ruft sie dann auf, sagt die Frau.
    Wenn man aus dem Aufzug kommt, stehen reihenweise Plastikstühle vor den
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