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Viviane Élisabeth Fauville

Viviane Élisabeth Fauville

Titel: Viviane Élisabeth Fauville
Autoren: Julia Deck
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Jahren geht es weder vor noch zurück. Wenn Sie nichts für mich tun können, müssen Sie es sagen, dann suche ich mir jemand anderen.
    Ja?
    Sie hören mir nicht zu. Ich will nicht mehr spielen, ich passe. Sie müssen eine andere Methode anwenden, oder es ist unnütz, dass ich weiter zu Ihnen komme.
    Kommen Sie, das ist Erpressung.
    Das hat nichts mit Erpressung zu tun, sagen Sie und werden laut. Genau das Gegenteil ist der Fall. Ich möchte bleiben, ich möchte, dass es funktioniert, aber ich kann nicht ewig ohne ein Ergebnis weitermachen. Dafür fehlen mir die Mittel.
    Die Mittel?
    Ja, die Mittel, genau, die Mittel, bellen Sie nun. Die Zeit, das Geld, die nötigen Einkünfte. Da ist die Miete, die Rechnungen, die Kinderfrau, mein Mann wird mir nicht helfen, muss ich Sie daran erinnern, mein Mann hat mich wegen irgendeiner jungen und frischen Gans verlassen, kurz, ich sitze alleine da, alleine mit meiner Tochter, wir sind allein und müssen über die Runden kommen.
    Warum haben Sie diese Wahl getroffen?
    Ihre Finger verkrampfen sich, Ihre Wirbel pressen sich an die Rückenlehne des Sessels. Sie schließen die Augen. Ein kleiner Wutregen quillt aus Ihren Augenwinkeln. Sie sehen wieder vor sich, wie Sie anderthalb Monate vorher in der Wohnung in der Rue Louis-Braille ganz hinten in den Schaukelstuhl gedrückt saßen, Ihrem Mann gegenüber, der dabei war, Sie zu verabschieden, und Sie versuchten, die Beherrschung zu bewahren, indem Sie augenblicklich beschlossen auszuziehen, denn Ihre letzte Chance bestand darin, ihm zuvorzukommen, ihn zu überrumpeln.
    Sie greifen nach Ihrer Handtasche. Auf der Suche nach Papiertaschentüchern stoßen Sie auf das ziemlich schwere Etui mit den Messern. Sie hatten es so eilig vorhin, als Sie das Haus verließen, so besorgt waren Sie bei der Vorstellung, Ihre Tochter alleine zu lassen, dass Sie nicht auf den Inhalt der Tasche geachtet haben. Sie finden die Papiertücher, die Tasche bleibt geöffnet auf Ihren Knien stehen.
    Ich habe keinerlei Wahl getroffen, mein Mann hat mich verlassen.
    Aber wir treffen alle unbewusst Entscheidungen.
    Sie wollen andeuten, dass ich ihn vertrieben habe.
    Ich deute nichts an, das sagen Sie.
    Ihre Arme zucken auf den Armlehnen, Ihre Hände beginnen zu zittern.
    Hören Sie, Madame Hermant, wir machen Folgendes. Sie sind so gut und nehmen ein paar Monate lang diese Pillen, Sie wissen schon, gegen die Depression, und dann die anderen gegen die Nervenzusammenbrüche, damit wir die Krisen in den Griff bekommen. Das letzte Mal sind Ihnen die Pillen doch ganz gut bekommen, oder, Madame Hermant? So, ich schreib Ihnen ein Rezept. Seien Sie so nett, fangen Sie die Behandlung wieder an, und kommen Sie nächsten Mittwoch zu mir, danach gehen wir zu dreimal wöchentlich über. Ist Ihnen Montag um acht recht?
    Plötzlich fühlen Sie sich wieder ganz ruhig. Der Arzt hat das richtige Wort gefunden. Nett. Das werden Sie von nun an nie mehr sein. Ihre Finger wühlen in der Handtasche, öffnen das Etui, betasten die Klingen und ziehen die breiteste aus dem Ring, mit dem sie an dem Kunstsamt befestigt ist. Sie holen das Messer aus der Tasche, Sie stehen auf, gehen einen Schritt vor. Der Arzt lächelt noch immer, wartet darauf, was als nächstes kommt, wie im Theater. Auch das traut er Ihnen natürlich nicht zu. Er hat in Ihnen noch nie etwas anderes als eine Bourgeoise gesehen, eine blasse Karrieristin und gewöhnliche Neurotikerin, die sich mit weißen oder blauen Pillchen zähmen lässt. Er wird endlich ermessen, wer Sie sind. Und tatsächlich fällt sein Grinsen in sich zusammen, während Sie sich ihm nähern, seine Züge erstarren, sein weiches Gesicht bekommt eine Festigkeit. Aber als er zu begreifen beginnt, was geschehen wird, ist es viel zu spät.
    Sie stehen wenige Zentimeter vor ihm und überragen ihn, denn Sie sind groß und tragen Absätze. Sie heben die Spitze des Messers auf die Höhe seines Magens, tasten sich ungeschickt vor, nicht ganz sicher, ob es funktionieren wird. Er öffnet seinen runden Mund, ein Schrei formt sich hinten in seiner Kehle. Nun wissen Sie, dass Sie nicht zögern dürfen. Sie stoßen das Messer genau unter die letzte Rippe, tunken es bis zum Griff ein. Die Gedärme sind weich wie Butter. Sie ziehen das Messer hoch in Richtung Lunge, aber der kleine Mann ist schon verschieden, er liegt am Fuß des Sessels, von dem aus er kein
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