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Vita Nuova

Vita Nuova

Titel: Vita Nuova
Autoren: Brrazo
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verschwenden würde, und selbst wenn, hätte er es in der Zwischenzeit längst vergessen, schließlich war das alles schon Ewigkeiten her. Aber diese Sache hier würden sie auf keinen Fall vorschnell als Selbstmord zu den Akten legen, das funktionierte dieses Mal nicht; reiche Familien mochten keine Selbstmorde.
    Er ließ den Morgen noch einmal Revue passieren und blieb bei De Vitas Feststellung hängen: ›Diebstähle in solchen Villen …‹
    »Nein, nein …« Ein Stückchen Brot, nur ein kleines, um den Rest der Sauce aufzutunken.
    Guarnaccia stand vom Tisch auf, spülte die Schüssel, die Gabel, das Glas und die große Pfanne. Da in der kleinen Pfanne noch immer ein Rest Sauce war, stellte er sie zurück in den Kühlschrank.
    »Nein.« Natürlich, wenn die Familie, deren Wappen die Eingangstür zierte, noch immer dort wohnte, könnte das vielleicht der Fall sein, wegen der Gemälde und so. Aber in diesem Fall hier, nein, wirklich nicht. Noch bevor der Staatsanwalt überhaupt erschienen war, hatte sich Guarnaccia bereits dort umgesehen und sich ein Bild machen können. Der Mann in der Privatklinik war offensichtlich reich genug, um sich eine solche Villa leisten zu können, aber die Bauarbeiten hinter dem Haus, der zweite Swimmingpool, das war nun wirklich nicht der Stil alten Florentiner Adels. Er hatte mit den Bauarbeitern gesprochen … nun ja, mit einem von ihnen, weil die anderen der italienischen Sprache nicht mächtig waren. Alles Rumänen, bis auf einen, der kam aus Marokko. Sie arbeiteten den ganzen August durch, bauten den Säulengang und die Nebengebäude hinter der Villa zu drei Luxuswohnungen mit gemeinsamem Garten und Swimmingpool um. Zwei der Wohnungen waren bereits verkauft. Leute aus Mailand, hatte der Bauarbeiter gesagt. Und dann war da noch diese Küche, vollgestopft mit dem modernsten Schnickschnack und den teuersten Geräten, die zu haben waren … Welten entfernt von einer Küche alteingesessenen Florentiner Adels. Soweit er wusste, zählten die sogar die Streichhölzer nach, die ihre Angestellten gebraucht hatten. Nein, nein …
    Der Maresciallo überprüfte mit einem letzten Blick seine eigene, ordentlich aufgeräumte Küche, machte dann das Licht aus und kehrte in sein Büro zurück, wo die zwei oder drei Notizen vom Morgen auf dem Schreibtisch lagen und darauf warteten, in den Ermittlungsbericht aufgenommen zu werden. Eine ziemlich einfache Sache, zumindest war das früher mal so gewesen, bis ›das Ding‹ gekommen war.
    ›Das Ding‹, wie er es immer nannte, war ein Computer, der mitten auf seinem Schreibtisch thronte. Er hatte ihn ignoriert, solange es eben ging, aber neuerdings mussten alle Informationen in die Datenbank eingegeben werden, damit sie den Beamten im ganzen Land zur Verfügung standen. Selbst die Tagesbefehle, die über ein Passwort nur ihm zugänglich waren, musste er dort eingeben. Ein höchst effizientes System, keine Frage.
    Seufzend schaltete er das verfluchte Ding ein und wartete. Es war so unglaublich langsam. Inzwischen hätte er den halben Bericht im Zwei-Finger-Suchsystem eingetippt gehabt, aber nun blieb ihm nichts anderes übrig, als kurzen, heiteren Tonfolgen zu lauschen, während der Computer immer neue, hübsche Bildchen hochfuhr, ihm tausenderlei Möglichkeiten offerierte, die er alle nicht nutzen wollte, die immer gleichen Daten abfragte, und dann, gerade als er glaubte, er könne endlich zu arbeiten anfangen – ihm dringend empfahl, ein Antivirenprogramm herunterzuladen.
    »Nein!« Verdammtes Ding! Was soll’s, er konnte das Programm ruhig laufen lassen, Zeit zum Nachdenken …
    Über Mutter und Tochter, zum Beispiel. Die Tochter war wie alt? Er schaute das Geburtsdatum in seinen Notizen nach … fünfundzwanzig! Und hübsch obendrein, trotz des fleckigen, tränenüberströmten Gesichts. Schlanke Figur, das lange, dunkle Haar zum Pferdeschwanz gebunden. Kein Make-up, obwohl Spuren von Wimperntusche auf den tränenfeuchten Tüchern zu sehen gewesen waren, die sie auf dem großen Glastisch liegengelassen hatte. Also schminkte sie sich wohl doch hin und wieder. Vielleicht war sie ja am Abend zuvor aus gewesen. Sie hatte ein einfaches, geblümtes Sommerkleid getragen, das sie in Verbindung mit dem Pferdeschwanz wie ein kleines Mädchen aussehen ließ. Das hemmungslose Weinen hatte diesen Eindruck nur noch verstärkt. Es gab viele Arten zu weinen, und der Maresciallo hatte in den langen Dienstjahren eine Menge verschiedener Arten kennengelernt. Die
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