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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition)
Autoren: Kristian Isringhaus
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oder die CIA noch Fragen haben, so würden sie
bis zum nächsten Tag damit warten müssen. Er und Debbie jedenfalls würden für
heute nicht mehr zur Verfügung stehen. Seine Kopfschmerzen waren wie
weggeblasen und Glück, wie er es seit zwei Jahren nicht mehr empfunden hatte,
durchfloss seine Adern.
    Die gesamte Anspannung der
letzten Tage und die fürchterliche Angst der letzten Stunden hatten sich in
einem leidenschaftlichen Kuss entladen, als Holger Debbie in der
Kommandozentrale der CIA in seine Arme geschlossen hatte. Sämtliche anwesenden
Agenten hatten sich von ihren Stühlen und ihren Computern erhoben, rhythmisch
zu klatschen begonnen und einen Kreis um die beiden gebildet, doch das hatte
Holger nicht gestört. Viel zu übermannt war er von seiner Erleichterung über
das Vereiteln des Anschlags, viel zu innig ihr Kuss.
    Anschließend waren sie Händchen
haltend wie verliebte Teenager durch die wunderschöne Dünenlandschaft der
Ostsee zur ‚Seemöwe’ geschlendert, wo Debbie Rock, Blazer und High Heels gegen
Jeans, Top und Sneakers getauscht hatte. Und weil sie einerseits immer noch
nichts gegessen hatten, ihnen andererseits aber die Angst nicht mehr den
Appetit raubte, hatten sie beschlossen, in den Dorfkern zu spazieren, um dort
ein Mittagessen zu finden.
    Holger blickte zum ‚Dorfkrug’
hinüber, wo erneut unzählige Globalisierungsgegner dem Alkohol zusprachen und
wahrscheinlich den Mörder als ihren Helden hochjubelten. Natürlich wussten sie
nichts von den Geschehnissen der letzten Stunden, nicht einmal der Anschlag auf
Makinwa war bis an die Presse durchgedrungen.
    Nichts wussten diese Verlierer.
Sie hatten keine Ahnung davon, dass die Morde religiöser und nicht politischer
Motivation entsprungen waren, keine Ahnung davon, dass sie dazu benutzt worden
waren, die Welt mit einem tödlichen Virus zu bedrohen, keine Ahnung von dem
Anschlag auf Makinwa und auch keinen Schimmer davon, dass die von ihnen so
bejubelte Mordserie niemals Vollständigkeit erfahren würde. Wahrscheinlich
hatten sie nicht einmal Ahnung von Politik. Sie waren einfach nur geistig
armselig bemittelte Gewalttäter.
    Doch sie interessierten Holger
nicht. Nicht mehr. Er hegte nicht im Entferntesten die Absicht, sich diese
Momente puren Glücks durch seinen Hass und seine Verachtung zerstören zu
lassen. Er war bereit zu vergessen.
    Er griff über den Tisch nach Debbies
Hand, streichelte sie zärtlich und lächelte. Sie lächelte zurück und gab ihm
das Gefühl, eine Million Schmetterlinge seien soeben in seiner Magengrube aus
ihren Larven geschlüpft.
    Doch plötzlich schob sich ein
Schatten über den Tisch und Holger nahm wahr, dass jemand neben ihm stand.
Dicht neben ihm. Er blickte auf und in das schmale, von dunklen, in alle
Richtungen abstehenden Haaren eingerahmte Gesicht einer jungen Frau und in ihre
dunkelbraunen, südländischen, Traurigkeit und Melancholie ausstrahlenden Augen.
    Auf den ersten Blick erkannte er
sie wieder. Niemals würde er dieses Gesicht vergessen. Von einer Sekunde auf
die andere wich jegliches Glück aus seinem Körper und der Hass kehrte zurück.
Er ließ Debbies Hand los und spürte, wie sich jeder Einzelne seiner Muskeln
zusammenkrampfte. Eine Unzahl an Gedanken, die alle gleichzeitig um Bearbeitung
rangen, entzündete ein wahrhaftes Synapsenfeuerwerk in seinem Kopf.
    „Es tut mir leid”, sagte die
junge Frau mit leiser Stimme und unverkennbar italienischem Akzent.
    Mehr sagte sie nicht. Nur diese
vier Worte. Dann fuhr sie darin fort, Holger mit ihren großen, traurigen Augen
anzublicken. Mit Hass im Herzen starrte Holger zurück.
    Er hatte sich geschworen,
Natalias Mördern niemals zu vergeben. Er brauchte ihnen nicht zu vergeben, denn
er war kein Christ mehr. Die Mörder waren der Polizei entkommen, niemals würden
sie Gerechtigkeit erfahren. Die einzige Strafe, die sie zu erdulden hatten,
würde auf ewig ihr schlechtes Gewissen bleiben, und Holger hatte nicht die geringste
Absicht, dieses zu erleichtern.
    Mit grimmiger Genugtuung sah er,
wie eine Träne ihre Wange hinab rollte, doch die junge Frau machte sich nicht
die Mühe, sie wegzuwischen oder auch nur zu blinzeln. Ja, ihr Gewissen folterte
sie, und Holger empfand Freude daran, ihm dabei zuzusehen. Sie hatte sein Leben
zerstört. Es war nur fair, wenn ihres das gleiche Schicksal erfuhr.
    Und wieso hatte sie jetzt
auftauchen müssen? Jetzt, da er zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder Glück
empfunden hatte. Jetzt, da er bereit war, die
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