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Violas bewegtes Leben

Titel: Violas bewegtes Leben
Autoren: Adriana Trigiani
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auf den Etagen mit den Viererzimmern. Ich bin nicht gezogen worden. Und so sitze ich jetzt hier mit drei Mitbewohnerinnen fest. Ich habe die Schulverwaltung angefleht, mir doch bitte, bitte ein Einzelzimmer zu geben, aber sie halten sich strikt an das Losverfahren, und so hatte ich eben Pech.
    Unser Zimmer ist ziemlich groß, mit drei Fenstern in einem runden Erker, die auf einen Brunnen hinausschauen, der aus drei riesigen Fischen besteht, die auf ihren Schwanzflossen stehen, die Mäuler weit aufgerissen, und Wasser in ein Becken spucken, das von einer runden Betonbank umgeben ist.
    Wir sind an der Ostseite des Gebäudes, sodass wir irre viel Sonne haben werden. Ich mag helle Zimmer. Die Möbel sind alt, aber sauber. Zwei einzelne Betten mit hölzernen Kopfteilen und ein Stockbett. Außerdem stehen da noch vier kleine Schreibtische mit Schreibtischstühlen aus dunklem Holz, die aussehen, als gehörten sie in eine Nervenheilanstalt.
    Ich war so frei und habe mir ein Einzelbett geschnappt, weil ich mich bestimmt mit keinem der anderen Mädchen so gut anfreunden werde, dass ich gerne das Bett mit ihr teilen möchte. Meine Mutter hat sämtliche Bettwäsche in Beige gekauft, weil sie meinte, das würde sich garantiert nicht mit dem beißen, was die anderen Mädchen mitbringen. Ausnahmsweise hatte meine Mutter mal recht. So kann ich mich den anderen perfekt anpassen und offenbare keinerlei persönlichen Stil.
    Ich lege meine Kamera auf meinen Schreibtisch und setze mich auf mein Bett, von meiner Mutter in seiner ganzen einfarbigen Beigeheit perfekt bezogen, und schicke ihr eine SMS.
     
    Ich: Danke, dass du mein Bett gemacht hast.
    Mom: Sind deine Mitbewohnerinnen schon da?
    Ich: Noch nicht. Trish sagt, sie kommen bald. Kann es
    kaum erwarten.
    Mom: Lustig.
    Ich: Für dich. Du musst ja nicht hier leben.
    Mom: Warte 2 Wochen. Du wirst es lieben. Ich fand den
    1. Tag auch furchtbar, aber dann wurde es besser.
    Ich: Ja klar.
    Mom: Es tut uns leid, dass wir nicht bleiben und die anderen
    Eltern kennenlernen konnten.
    Ich: Macht nichts. Das Flugzeug wartet ja nicht. Ich würde
    auch gerne drinsitzen.
    Mom: Schreibst du mir, wenn du dich eingelebt hast?
    Ich: Da kannst du lange warten.
     
    Ich bin in diesem Internat gelandet, weil meine Mutter auch schon hier war. Das ist so ziemlich der schlimmste Grund, um irgendwohin verfrachtet zu werden, und es macht mich zu ihrer Erbin, auch wenn sie nur ein Jahr lang hier zur Schule ging, 1983. Sie hat gesagt, damals in den Achtzigern brauchte sie eine eigene Tasche nur für ihr Haargel. Das glaube ich sofort.
    »Entschuldigung.«
    Ich schaue auf und sehe Marisol Carreras mit ihren Eltern in der Tür stehen. Ich weiß schon viel zu viel über Marisol, weil sie einen Blog über ihr Leben schreibt und den Link rumschickte, als ich den Brief mit der Zimmervergabe bekam. In Wirklichkeit ist sie viel kleiner als auf den Fotos im Netz. Sie hat einen zierlichen Körper und einen großen Kopf, so wie die Stars in Gossip Girl (was ich zu Hause übrigens niemals anschauen dürfte, weshalb ich es bei Andrew gucke).
    »Ich bin Marisol.« Sie lächelt herzlich und sieht so freundlich aus, dass ich mich sofort ein kleines bisschen besser fühle.
    »Ich weiß.«
    »Ach ja. Mein Blog.« Sie errötet.
    »Ich bin Viola Chesterton. Aus Brooklyn, New York.«
    Marisol hat braune Haare wie ich. Sie hat keine Streifen oder goldbraune Kammsträhnen wie die anderen Mädchen auf unserem Stockwerk. Trotzdem bin ich, was mein Äußeres betrifft, absoluter Durchschnitt, während Marisol richtig exotisch aussieht. Ihr Haar glänzt wie Lakritzschnüre, nicht zu vergleichenmit meinen braunen Fransen. Sie hat ein vornehmes Profil mit einer geraden Nase. Meine dagegen hat einen Höcker, und ich sollte wohl irgendwann ernsthaft über eine Schönheitsoperation nachdenken.
    Marisol ist außerdem eine richtig gute Schülerin. Sie kommt aus dem Süden und hat ein Stipendium. Ihre Familie ist aus Mexiko eingewandert und lebt in der Nähe von Richmond, Virginia, und Marisol ist so klug, dass ihre Eltern sie irgendwohin schicken mussten , weil das Schulniveau dort, wo sie war, nicht gut genug war. Kaum zu glauben, dass sie die Prefect Academy ernsthaft als gut genug ansehen, aber das kann mir ja egal sein.
    Ich stehe von meinem Bett auf und begrüße meine neue Mitbewohnerin und ihre Familie, weil ich meine guten Manieren nicht zu Hause in Brooklyn vergessen habe. Ich gebe Marisol die Hand und auch ihren Eltern. Ihre Mutter,
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