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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)
Autoren: Karsten Kruschel
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Bruchstücke der instabilen Konstruktionen mit sich. Einen Schrei von Dorand hatten weder Barbara noch Jonathan gehört. Barbara griff nach ihrem Funkgerät, um mit Jonathan zu sprechen, aber sein Apparat war bereits in Betrieb.
    »Vliesenbrink an Dorand«, klang seine Stimme aus dem kleinen Lautsprecher, »Vliesenbrink an Dorand, kannst du mich hören? Bitte gib Antwort.«
    Natürlich kam keine Antwort. Dorand konnte diesen Absturz unmöglich überlebt haben. Nicht, wenn ein paar hundert Tonnen Stahl hinterherfielen.
    »Vliesenbrink an Dorand«, sagte Jonathan, »Vliesenbrink an Dorand, kannst du mich hören? Bitte gib Antwort.«
    Barbara schaltete sich auf dieselbe Frequenz. »Es ist hoffnungslos«, sagte sie, »er ist tot.«
    Jonathan Vliesenbrink hob den Kopf und starrte sie an. Er war zwanzig Meter entfernt, und dennoch sah Barbara, dass nicht nur Regentropfen über sein Gesicht liefen. Er schüttelte den Kopf, sein Funkgerät schwieg jetzt.
    »Ich gehe hinüber und schaue nach«, sagte sie und fragte sich, wieso sie etwas so offenkundig Sinnloses vorschlug; der Anblick eines weinenden Mannes konnte es wohl kaum sein. Aber gut, einer musste nachsehen, wenigstens das waren sie ihrem Kameraden schuldig. Und Jonathan konnte nicht hinübergehen. Für einen Dreieinhalb-Zentner-Kerl war dieser Weg zu gefährlich, erst recht nach diesem Unfall. Barbara leinte sich an und aktivierte die Notrückholung. Sollte sie fallen, würde die Leine sie abfangen und zurückholen. Ich bin leicht genug, dachte sie, für die Karnesen ist diese Technik einfach nicht gemacht. Dorand war mit genau solch einer Leine gesichert gewesen, und seine hundertsiebzig Kilo Lebendgewicht hatten das Ding hoffnungslos überfordert, und die Ausrüstung wog schließlich auch etwas. Die Figur eines muskelbepackten Kleiderschrankes hatte ihre Nachteile. Genau wegen der Körperkräfte der Karnesen hatte Tina die einzigen beiden Typen von Karna gefragt, ob sie das Risiko eingehen wollten, in den Überresten der VILM VAN DER OOSTERBRIJK auf Erkundung zu gehen. Karna war eine sehr kalte Welt, das Wetter Vilms machte diesen Jungs kaum etwas aus.
    Vorsichtig ging sie, einen Fuß vor den anderen setzend, auf dem schmalen Träger zu der Plattform hinüber, von der jetzt das Drittel fehlte, auf dem Dorand gestanden hatte, als er ihnen aufgeregt irgendetwas zeigte. Jonathan hatte sich hingesetzt und beobachtete mit unbewegtem Gesicht, wie Barbara den Weg Dorands ging. Sie zwang sich, nicht unaufhörlich an Claudius Dorand zu denken, dessen Leiche womöglich dicht unter der Plattform lag. Sie konzentrierte sich darauf, auf dem regennassen Metall nicht auszurutschen. Es regnete immer noch. Fast hatte es den Anschein, als wolle es niemals aufhören.
    Einen knappen Meter vor der Bruchkante hielt sie inne und arretierte die Leine. Dann beugte sie sich vor, so weit es ging. Vorsichtig spähte sie in den Abgrund. Hier hatte es gebrannt, unter der Plattform war alles verkohlt, nur noch spillerige, brüchige Ruinen. Dorand hatte mit seinem Gewicht ein Kartenhaus zum Einsturz gebracht. Und er war tot. Da waren, überdeutlich in der Umgebung aus verkohltem Kunststoff, die Spuren seines Todes, die lebhaften Farben von Blut, menschlichem Fleisch und inneren Organen. Barbara Brewka, ermahnte sie sich selbst, bemühe dich, klar zu denken, du willst doch nicht auch so enden, oder? Sie löste ihren Blick von dem, was einmal ein lustiger, riesiger Mann gewesen war, und versuchte herauszufinden, was genau ihn dazu gebracht hatte, in der letzten Sekunde seines Lebens so aufgeregt zu winken. Sie bemerkte es sofort. Und sie verstand, warum Dorand ihnen gewinkt hatte: Da hinten lag ihre Rückfahrkarte. Sie turnte, so schnell sie es wagte, auf Jonathans Seite des Abgrunds zurück. Sie nahm seinen Kopf in die Arme und sagte, welchen Tod Dorand gefunden hatte. Jonathan nickte. Er hatte sich so etwas Ähnliches ausgemalt.
    »Claudius ist nur der Erste von uns, der hier umkommt«, sagte er. »Vielleicht sollten wir einfach die Finger von diesem Friedhof lassen.«
    »Wir wollten versuchen, etwas Brauchbares zu finden«, sagte Barbara, »und wir sollten versuchen, einen Hilferuf abzusenden. Wenn sich eine Gelegenheit dazu ergibt, hat Tina gesagt. Eventuell können wir das erledigen. Da unten, auf einer Art Lichtung mitten in den Trümmern, liegt ein beschädigtes Landeschiff. Beschädigt, nicht zertrümmert wie das andere.«
    Jonathan sah Barbara hoffnungsvoll an; das erste Schiff dieser Art,
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