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Villa Oma

Villa Oma

Titel: Villa Oma
Autoren: Ilse Kleberger
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ausgestrecktem Arm in den Park hinab. Endlich schien Jan auf Peters Ruf zu reagieren. Aber gerade im ungünstigsten Augenblick. An der vereinbarten Stelle kam der Sack über die Mauer geflogen, doch nicht Peter, sondern der Polizist stand dort. Und da der Polizist nicht darauf gefaßt war, traf ihn der Sack mit voller Wucht. Er öffnete sich, und Äpfel, Birnen und Pflaumen prasselten über den verblüfften Wachtmeister auf das Pflaster.

    Dann fiel Jan von der Mauer herunter und dem Polizisten direkt in die Arme.
    „Ha!“ schrie dieser. „Ha, hier ist er, der Dieb, ich habe ihn“, rief er stolz zum Fenster hinauf, aus dem sich die dicke Dame weit hinauslehnte, um sehen zu können, was unten vorging.
    Der Polizist schubste Jan unter die nächste Straßenlaterne.
    „Kennen Sie den?“
    Oben kreischte die Dame: „Ja, er hat heute mittag schon Pflaumen von einem Baum gestohlen. Er ist ein Dieb, ein richtiger Dieb, der Strafe verdient. Nehmen Sie ihn mit, Herr Wachtmeister. Und Dank auch, daß Sie auf meinen Telefonanruf hin so schnell gekommen sind. Ich werde es beim Herrn Bürgermeister lobend erwähnen. Ich werde ihm sagen, daß ich es in meinem Park rascheln hörte, daß ich zum Telefon eilte, die Polizei anrief und Sie in Minutenschnelle zur Stelle waren und mutig den Einbrecher festnahmen.“
    Der Mann räusperte sich verlegen und meinte dann: „Das ist doch selbstverständlich, man muß immer gleich da sein, wenn man gebraucht wird.“
    Dann stieß er Jan an und sagte barsch: „Los, sag deinen Namen!“
    Jan preßte die Lippen zusammen und schwieg.
    „Du sollst mir sagen, wie du heißt, damit ich deinen Eltern mitteilen kann, was du für ein feines Früchtchen bist!“
    Jan schüttelte störrisch den Kopf.
    „Gut, gut, wie du willst“, sagte der Wachtmeister mit unterdrücktem Zorn, „dann kommst du eben mit auf die Wache und bleibst so lange bei mir, bis dir einfällt, wie dein Name ist.“
    Auf Peter achtete niemand. Er ging langsam hinter den beiden her und sah mit Entsetzen, wie der Polizist Jan am Arm gepackt hielt und ihn durch den Ort führte wie einen Verbrecher. Was würden die Leute dazu sagen? Da kam auch schon die kleine Karoline von der Hühnerfarm mit einem Korb voll Eier in der Hand die Straße entlang. Sie blieb stehen und sah mit offenem Mund Jan und den Polizisten an sich vorübergehen. Sie hörte, wie der Polizist sagte:
    „Du kommst mit auf die Wache!“
    Karoline rief „ Uih !“ und sauste davon, ohne Peter zu bemerken. Peter wußte, daß es nun bald das ganze Dorf erfahren würde: „Pieselangs Jan ist verhaftet worden!“
    Jetzt fing er selber an zu laufen, so schnell seine Beine ihn trugen. Er schlug wie ein Hase einen Haken um das Paar vor ihm und lief, um nicht an ihnen vorbei zu müssen, durch ein paar Seitenstraßen. Er wußte jetzt, wohin er wollte. Er wußte, wer allein diese dumme Geschichte wieder in Ordnung bringen konnte. „Oma!“ rief er schon von weitem, als er sie im Hof sah, wie sie Wäsche von der Leine nahm. Ihre Gestalt in dem schwarzen Kleid war in der Dämmerung kaum noch zu sehen. Aber ihre grauen Augen mit den lustigen Fältchen an den Winkeln waren wie zwei Lichter, als sie ihn anblickte. Er seufzte erleichtert auf und sagte: „Hol Jan aus dem Gefängnis!“
    Wenig später betrat Oma die Polizeiwache. Der neue Wachtmeister saß an einem Tisch und beschäftigte sich mit einem Kreuzworträtsel. Er betrachtete erstaunt die zierliche alte Dame in ihrem altmodischen langen, schwarzen Kleid, einem lila Hut auf dem Kopf, einem schwarzen Samtband um den Hals und mit einem Regenschirm in der Hand.
    „Sie wünschen?“
    Oma lächelte zaghaft. „Ach“, sagte sie außer Atem, „darf ich mich setzen? Ich bin ein wenig rasch gelaufen.“
    Sie wirkte so zerbrechlich, daß der Wachtmeister eilig aufsprang und ihr den zweiten Stuhl am Tisch näherschob. Oma ließ sich darauf sinken und betrachtete interessiert das Kreuzworträtsel.
    „Aha, ein Silbenkreuzworträtsel“, sagte sie. „Finden Sie nicht auch, daß man die viel rascher herausbekommt als die Buchstabenrätsel?“
    Der Polizist nickte. „Aber das macht bei mir nicht viel Unterschied“, antwortete er, „ich rate alle Kreuzworträtsel sehr schnell, bin darin sehr geübt.“
    Oma sah ihn bewundernd an. „Das kann ich mir denken, als Wachtmeister sind Sie ja scharfes Denken gewöhnt. Wie scharf und genau müssen Sie zum Beispiel überlegen, wenn Sie einen Verbrecher festnehmen wollen.“
    Der Polizist
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