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Villa des Schweigens

Villa des Schweigens

Titel: Villa des Schweigens
Autoren: Ulrike Rylance
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Vermieter«, vertraute ich ihr an.
    Frau Wagner zog die Augenbrauen hoch. »Warum fragen Sie ihn nicht einfach, wo er das Haus herhat? Oder erkundigen Sie sich beim Grundbuchamt. Wenn Sie das so brennend interessiert, kann ich Ihnen dabei helfen.«
    »Das ist eine gute Idee. Julius Behnisch heißt der.«
    »Behnisch?« Sie wirkte überrascht.
    »Ja, Behnisch. Sagt Ihnen das was?«
    Sie zögerte für den Bruchteil einer Sekunde. »Nicht dass ich wüsste«, sagte sie dann und lächelte. »Noch einen Kaffee?«
    Ich nahm ein Wasser.
    Und ich war mir sicher, dass der Name Julius Behnisch ihr bekannt war.

6. Kapitel
    Ich stand in dem kleinen Supermarkt in der Nähe der Kanzlei und überlegte, was ich kaufen sollte. Alles kam mir auf einmal so teuer vor. Andererseits hatte ich nie groß auf Preise geachtet, sondern wahllos etwas in den Wagen geschmissen, wenn ich mit meinen Eltern einkaufen war. Ich nahm Aufschnitt, abgepacktes Scheibenbrot, ein paar Becher Joghurt, eine Flasche Cola und ein bisschen Obst und stellte mich an der Kasse an. Gestern, nach meinem ersten Arbeitstag, war ich wieder nicht zum Einkaufen gekommen. Als ich nach Hause fahren wollte, hatte mein Rad einen Platten, sodass ich schieben musste, und als ich endlich in der Villa ankam, rief erst mein Vater an und dann Nadja, die sich erkundigen wollte, ob es gut aussehende Jungs in meiner WG gab, und mich rasend um meine Freiheit beneidete. Sie musste den ganzen Sommer lang im Restaurant ihrer Eltern mithelfen. Als ich endlich Ruhe hatte, war es zu spät zum Einkaufen. Nach einem trübsinnigen Abendessen, bestehend aus Pfefferminztee und meinen letzten zwei Müsliriegeln, hatte ich mir geschworen, endlich etwas zu essen zu besorgen. Außerdem arbeitete ich heute nur bis um 14.00 Uhr.
    Von meinen Mitbewohnern hatte ich gestern nur Stefan kurz getroffen, der mir geholfen hatte, den Schreibtisch näher zum Garten hin zu rücken. Die unterste Schublade im Schrank hatte er aber auch nicht aufbekommen. Die klemmte. Dafür hatte er Billy einen winzigen Sombrero aufgesetzt, als ich mal kurz auf Toilette gewesen war. Dann hatte Stefan leider weggemusst.
    Die Küche war, abgesehen von der alten Pizzaschachtel, wie von Geisterhand aufgeräumt worden. Dieselbe Geisterhand, die Blumen verteilte? Ich war zu dem Schluss gekommen, dass die Blume eine Art Begrüßung darstellen sollte, vielleicht ein Gag, den ich nicht kapierte. Stefan danach zu fragen war mir irgendwie peinlich gewesen.
    »Macht elf fuffzig!« Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Die Frau an der Kasse sah mich erschöpft an. Unter den Armen hatte ihr Verkaufskittel Schweißflecken und ihr Lippenstift war eingetrocknet. Ich bezahlte schnell, obwohl mir in diesem Moment einfiel, dass ich vergessen hatte, mir etwas Süßes zu kaufen. Aber ich hatte keine Lust, mich jetzt noch mal durch den Laden zu drängeln. Schnell stopfte ich die Sachen in die große blaue Umhängetasche, die ich im Schrank des Zimmers gefunden hatte.
    Im Nachbarhaus schaute heute eine alte Frau aus dem Fenster. Als sie mich sah, verzerrte sich plötzlich ihr Gesicht vor Schreck. »Jesusmaria!«, rief sie.»Sie laufen ja schon wieder herum!« Ich lief wieder herum? Ich lächelte unsicher. Die schien mich zu verwechseln. Sie lächelte nicht zurück und verschwand vom Fenster.
    Kopfschüttelnd schloss ich die Tür auf.
    In dem engen Vorraum stand ein imposant aussehendes Mountainbike, schwarz, glänzend und neu. Und obwohl ich nicht viel Ahnung von Fahrrädern hatte, war klar, dass dieses Rad so viel gekostet haben musste wie ein Kleinwagen. Dagegen sah mein Klapperrad geradezu antik aus, wie etwas aus dem Verkehrsmuseum. Als ich mich mit meinen Tüten vorbeiquetschte und es ein Stück zur Seite schob, merkte ich, wie leicht es war. Meine Einkäufe waren fast schwerer. Wahnsinn.
    »Siehst du.« Claire stand plötzlich neben mir. »Du kommst auch kaum vorbei. Wenn er denkt, dass er das Ding hier stehen lassen kann, hat er sich geirrt!« Sie bebte vor Wut.
    »Was? Hallo«, sagte ich verdattert.
    »Stefan! Kommt vorhin an, schiebt das Teil hier in den Vorraum und verschwindet wieder. Soll das vielleicht so bleiben? Knallt ja jeder dagegen.«
    »Bestimmt räumt er es noch weg.« Ich verstand nicht, warum sie sich so aufregte. Es gab doch genug Platz. Und ich war k. o. und wollte was essen.
    »Meinst du?« Sie lachte kurz und abfällig auf. »Hast du mal sein Zimmer gesehen? Der räumt nie auf.«
    Das kann dir doch egal sein, dachte ich.
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