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Vier Frauen und ein Mord

Vier Frauen und ein Mord

Titel: Vier Frauen und ein Mord
Autoren: Agatha Christie
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Schlafzimmertür geklopft, aber keine Antwort erhalten. Der Bäcker meinte, sie wäre vielleicht krank. Sie holten die Nachbarin, sie sollte hinaufgehen und nachsehen. Mrs McGinty war nicht im Schlafzimmer und hatte auch nicht in ihrem Bett geschlafen, aber das Zimmer war durchwühlt, und die Fußbodenbretter waren hochgestemmt worden. Dann sahen sie im Wohnzimmer nach. Dort war sie. Sie lag auf dem Boden, und die Nachbarin brüllte sich fast zu Tode. Dann holten sie natürlich die Polizei.«
    »Und dann hat man Bentley verhaftet und ihm den Prozess gemacht?«
    »Ja. Der Fall kam vors Schwurgericht. Gestern. Es war ein kurzer, klarer Fall. Die Geschworenen haben sich heute früh nur zwanzig Minuten lang zurückgezogen. Ihr Spruch: schuldig. Zum Tode verurteilt.«
    Poirot nickte.
    »Und dann, nach dem Urteil, sind Sie in den Zug gestiegen, nach London gefahren und haben mich aufgesucht. Warum?«
    Kommissar Spence schaute in seinen Bierkrug. Langsam fuhr er mit dem Zeigefinger um den Rand des Kruges.
    »Weil ich nicht glaube, dass er es getan hat…«, sagte er.

2
     
    E inen Augenblick lang schwiegen beide.
    »Sie kamen zu mir …«
    Poirot beendete den Satz nicht.
    Kommissar Spence blickte auf. Die Farbe seines Gesichts war dunkler als zuvor. Es war das typische Gesicht eines Mannes vom Lande, ausdruckslos, beherrscht, mit schlauen, aber aufrichtigen Augen. Es war das Gesicht eines Mannes mit ganz feststehenden Ansichten, der niemals durch Zweifel an sich irritiert wurde oder durch Zweifel daran, was Recht ist und was Unrecht.
    »Ich bin schon lange bei der Polizei«, sagte er. »Ich habe eine ganze Menge Erfahrungen gesammelt. Ich kann einen Mann so gut beurteilen wie irgendwer. Ich habe in meiner Dienstzeit Mordfälle behandelt – einige ganz klare, andere waren nicht so eindeutig. Einen Fall kennen Sie, Monsieur Poirot …«
    Poirot nickte.
    »Der war verzwickt. Ohne Sie hätten wir ihn nie gelöst. Aber wir haben ihn gelöst – und da gab es gar keinen Zweifel. Ebenso war es mit anderen Fällen, die Sie nicht kennen. Da war Whistler. Der hat bekommen, was ihm gebührte. Da waren diese Burschen, die den alten Guterman erschossen. Da war Verall mit seinem Arsenik. Tranter ist davongekommen, aber getan hat er’s doch. Mrs Courtland, die hatte Glück. Ihr Mann war ein widerlicher Patron, und die Geschworenen haben sie deshalb freigesprochen. Es war nicht Gerechtigkeit, nur Sentimentalität. Manchmal muss es eben auch das geben. Manchmal hat man nicht genug Beweise, manchmal spielt das Gefühl eine Rolle, manchmal bringt ein Mörder es fertig, die Geschworenen reinzulegen – das kommt zwar nicht oft vor, aber es kann vorkommen. Manchmal ist es der Erfolg eines besonders gerissenen Verteidigers – oder der Staatsanwalt hat einen falschen Kurs eingeschlagen. Ach ja, ich habe viele solche Fälle gesehen. Aber… aber…«
    Spence hob seinen dicken Zeigefinger.
    »Ich habe aber nie gesehen, in all den Jahren nicht, dass ein Mann wegen etwas gehenkt wurde, das er nicht getan hat. Das ist etwas, Monsieur Poirot, was ich nicht sehen möchte. Nicht«, fügte Spence hinzu, »in diesem Lande.«
    Poirot sah ihn an.
    »Und Sie glauben, dass Sie es jetzt sehen werden. Aber warum…«
    Spence unterbrach ihn.
    »Ich weiß, was Sie sagen wollen. Ich werde antworten, ohne dass Sie fragen müssen. Man hat mir diesen Fall übergeben. Ich musste das Beweismaterial zusammentragen. Ich ging in der ganzen Angelegenheit sehr sorgfältig zu Werke, und als ich mit meinen Untersuchungen fertig war, legte ich die Ergebnisse meinem Vorgesetzten vor. Danach war der Fall nicht mehr in meinen Händen. Er ging zum Staatsanwalt, und der entschloss sich, Anklage zu erheben. Er hätte auch gar nichts anderes tun können – nicht bei diesen Beweisen. Und so wurde James Bentley verhaftet und vor Gericht gestellt. Man machte ihm einen ordentlichen Prozess und sprach ihn schuldig. Man hätte gar kein anderes Urteil fällen können – nicht bei diesen Beweisen. Die Geschworenen waren alle von seiner Schuld völlig überzeugt.«
    »Aber Sie – sind es nicht?«
    »Nein.«
    »Warum?«
    Kommissar Spence seufzte. Er rieb sich nachdenklich mit seiner großen Hand das Kinn.
    »Ich weiß es nicht. Ich meine, ich kann keinen Grund angeben – keinen konkreten Grund. Für die Geschworenen hat er wie ein Mörder ausgesehen, aber für mich nicht – und ich verstehe viel mehr von Mördern als die.«
    »Ja, ja, Sie sind ein Fachmann.«
    »Wissen Sie, da war
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