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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)
Autoren: Boris Koch
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doch plötzlich sprang er aufs Feld und krallte sich den Ball. Genüsslich setzte er sich auf ihn und ließ einen fahren.
    »Ahhhhh«, sagte er und machte ein Gesicht wie Feinschmecker bei der Weinprobe. »Die Peperoni waren so scharf, die brennen gleich ein Loch in den Ball.«
    »Nein!«, rief ich. Ich hatte nur Ball und Loch verstanden und nicht weiter nachgedacht. Ängstlich stand ich drei, vier Schritte vor Michi und wusste nicht, was ich tun sollte. Die meisten anderen hatten sich verkrümelt, es war nicht ihr Ball.
    »Dann brennen sie aber zuerst ein Loch in deine Hose, und du stehst mit blankem Arsch da«, sagte Christoph, der als Einziger bei mir geblieben war, obwohl wir uns gar nicht kannten. Er war neu, seine Familie lebte seit zwei Monaten in der Siedlung, nur zwei Straßen von hier. Zwar saß er in meiner Klasse, aber am anderen Ende des Zimmers, und das war weit weg. Zum Bolzen trug er ein Original-FC-Bayern-Trikot mit der Nummer 12 auf dem Rücken, die passende Hose und sogar makellose Stutzen. Ich wusste nicht auswendig, wer bei Bayern die 12 hatte, das Trikot war mit Christophs Namen beflockt. Sofort hatte ich »Angeber« gedacht und ihn beim ersten Angriff umgegrätscht und neben ihm ausgespuckt wie ein Großer. Jetzt stand mir allein der Angeber zur Seite und sprach ganz lässig von Michis blankem Arsch.
    »Was willst du, Kleiner?«, fragte Michi und starrte ihn finster an.
    »Das ist unser Ball.«
    »Welcher Ball?« Michi grinste.
    »Du sitzt drauf.«
    »Ach, der.« Langsam kramte Michi die Zigarettenschachtel aus seiner Tasche und zündete sich eine an. Den Rauch pustete er in unsere Richtung, aber er kam nicht weit genug.
    »Das ist unserer«, sagte Christoph noch einmal, der Michis Ritual nicht kennen konnte.
    »Der ist neu«, ergänzte ich, nun auch mutiger geworden.
    »Der ist bequem«, sagte Michi und sog mit seiner Feinschmeckermiene an der Kippe.
    »Gib ihn her«, forderte Christoph.
    »Sonst was?« Michi sah ihn belustigt an. »Läufst du sonst zu deiner Mami? Bist du ein Mamisöhnchen?«
    »Wir sind mehr als du.«
    »Ach ja?« Michi klang halb belustigt, halb drohend. »Glaubst du nicht, dass ich mit zwei Scheißern wie euch fertigwerde?«
    Christoph blickte sich um, er hatte erst jetzt bemerkt, dass wir beide allein waren. Verächtlich sah er zu den anderen, die sich beim Tor herumtrieben, irgendwas vor sich hinmurmelten und abwarteten. Schultern und Köpfe hingen herab, irgendwer trat kraftlos gegen den Pfosten. Christoph drehte sich wieder um und schob den Unterkiefer vor. »Zwei sind mehr als einer.«
    Michi lachte und rauchte in aller Ruhe weiter. »Und was wollt ihr tun?«
    Wir taten nichts. Als Christoph zu mir schielte, schüttelte ich ganz leicht den Kopf. Er zuckte mit den Achseln, er war neu. Wir warteten, bis Michi fertig war, und dann drückte der die Zigarette ganz langsam auf dem Logo des Balls aus, gähnte demonstrativ und steckte sich noch eine an.
    »Wollt ihr auch?«, fragte er.
    Das fragte er manchmal, und wenn wer Ja antwortete, sagte er: Dann kauf dir welche, und lachte laut. So was fand er lustig.
    »Krieg Krebs«, blaffte Christoph.
    Ich schüttelte schweigend den Kopf. Der Ball sah ganz eingedrückt aus, ich wollte nicht, dass der Drecksack ihn platt saß, aber ich traute mich nicht, ihn einfach unter seinem Hintern rauszukicken. Sollte ich es nicht schaffen, würde es Hiebe setzen, und sollte ich es schaffen, vermutlich auch. Ich war schnell, aber Michi hatte viel längere Beine.
    »Mit der brenn ich das Ventil kaputt, dann kannst du ihn nicht mehr aufpumpen.« Michi grinste uns an und wackelte mit der Zigarette zwischen seinen Fingern.
    »Nein«, hauchte ich, weil ich ihm glaubte.
    Sein Grinsen wurde breiter und meine Angst größer, bis ich bemerkte, dass er nicht mehr uns ansah, sondern über uns hinweg. Er steckte sich die Kippe in den Mundwinkel und hielt sie nur mit den Lippen fest.
    Hastig warf ich einen Blick über die Schulter und bemerkte einen Güterzug, der von Süden heranstürmte. Im gleichen Moment konnte ich ihn auch hören, das helle Summen. Sofort wusste ich, dass Michi diesmal auf die Gleise treffen würde, dass der Ball verloren war. Er wollte uns unbedingt demütigen, wir hatten nicht genug Angst gezeigt, er würde ganz genau zielen. Ich schrie: »Nein!«
    »Doch!« Michi sprang auf, die wippende Kippe im Mundwinkel, packte den Ball mit beiden Händen und rannte ein paar Schritte auf den Zug zu.
    Sofort wetzte Christoph hinter ihm her. Ich
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