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Vier auf dem Laufsteg

Titel: Vier auf dem Laufsteg
Autoren: Sarra Manning
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und das gab ihr gewisse Rechte. Während ihr Vater also zum Auto geschickt wurde, um ihr Gepäck zu holen, und ihre Mutter einen Berg von Tupperdosen im Kühlschrank verstaute, stieß sie vorsichtig die Türen auf.
    Zwei Zimmer waren ziemlich groß, aber die Fenster gingen auf die Straße, und man hörte Gehupe und Motorenlärm und das »Piep-piep« des Fußgängerüberwegs. Das dritte Zimmer war direkt neben dem Klo, deshalb entschied Laura sich für das kleinste Zimmer (das in einem früheren Leben durchaus mal eine Besenkammer gewesen sein könnte), weil es einen riesengroßen Schrank hatte und eine tolle Aussicht auf einen verwilderten Garten.
    »Oh Laura, hier ist ja nicht mal genug Platz, um sich umzudrehen.«
    Ihre Mutter stand in ihrer zweitbesten Schürze und mit Gummihandschuhen in der Türöffnung. Sie hatte eine Tüte mit Reinigungsmitteln mitgebracht, und sie würde sie einsetzen, komme, was da wolle.
    »Das geht schon in Ordnung«, widersprach Laura und hopste auf der Matratze prüfend schwungvoll auf und ab. »Stimmt schon, es wäre eigentlich ein ganz guter Schrank, aber die Aussicht ist hübsch, und es ist ruhig. Wenn ich erst mal ein paar Jobs habe, werde ich mir wahrscheinlich was Eigenes suchen.«
    »Nun übertreib mal nicht«, sagte ihre Mutter und zog die Handschuhe aus, damit sie sich neben Laura setzen und ihr beruhigend über den Rücken streicheln konnte. Auch wenn die gar keine Beruhigung brauchte. Außer vielleicht …
    »Du könntest das alles mal ein bisschen positiver sehen, Mama.« Laura seufzte. Der vorwurfsvolle Ton geriet ihr perfekt, weil sie den Satz mindestens einmal täglich gesagt hatte, seitdem sie den Supermodel -Wettbewerb gewonnen hatte. »Ich weiß ja, dass du nie gedacht hättest, dass ich schon mit siebzehn ausziehen würde, aber ich werde Model. Ich bin ein Model! Es ist einfach tierisch aufregend.«
    Ihre Mutter antwortete nicht sofort.
    Wahrscheinlich grübelt sie immer noch: Aber wann machst du deinen Schulabschluss?, dachte Laura spöttisch.
    »Na ja, es ist eine wundervolle Chance«, sagte ihre Mutter schließlich. »Du machst das etwa ein halbes Jahr lang, verdienst ordentlich Geld und kannst dann später davon die Studiengebühren bezahlen.«
    »Macht das jetzt das Glas halb leer oder halb voll?«, fragte Laura mit einem Grinsen.
    Studieren spielte keine besonders große Rolle in ihrem Plan, später als Neunzehnjährige mit Multimillionen-Dollar-Verträgen in der Gucci-Tasche in New York zu leben, aber jetzt war wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt, um das auszusprechen.
    »Auf jeden Fall ist es von irgendwas die Hälfte.« Ihre Mutter lachte und drückte sie fest genug für einen Rippenbruch. Doch gerade als Laura dachte, jetzt käme der Sermon von wegen Du gehörst eigentlich noch zu deinen Eltern , glättete sich die Stirn ihrer Mutter. Ihr Blick war auf den Berg von Kartons und Koffern gefallen, die auf das Auspacken warteten. »Ich helf dir noch schnell beim Einräumen, bevor dein Vater über den Berufsverkehr stöhnt.«
     
    Der Abschied war schmerzhaft, aber erfreulich kurz.
    »Vergiss nicht, vor dem Weggehen immer alle Geräte auszuschalten«, sagte ihre Mutter zum x-ten Mal, während sie langsam, aber sicher ins Auto bugsiert wurde. »Ich rufe jeden Abend an und du kannst uns jederzeit anrufen. Und denk dran, dir ein Monatsticket zu kaufen. Ich hab dir den Antrag ausgedruckt und in deinen Ordner in der blauen Tasche gelegt und...«
    »Mach’s gut, mein Schatz«, rief ihr Vater und drehte bereits den Zündschlüssel um. »Trink nicht zu viel und werd nicht hochnäsig.«
    Sie fuhren davon, ihre Mutter winkte heftig aus dem Fenster, bis ihr die Hand fast von einem vorbeifahrenden Radfahrer abgerissen worden wäre.
    Zögernd ging Laura wieder in die Wohnung. Der uneinschätzbare Horror ihrer drei geheimnisvollen Mitbewohnerinnen fing allmählich an, sie zu quälen. Hoffentlich hatten die noch mehr Angst als sie. Obwohl sie eigentlich überhaupt keine Angst hatte, schließlich war sie jetzt ein vollwertiges Mitglied im Club der Schönen und konnte denen zeigen, wo es langging. Nach zwölf Wochen Supermodel war sie gewissermaßen eine Veteranin in diesem Geschäft.
    Ihre Mutter hatte den Kühlschrank bis zum Rand mit Tupperdosen vollgepackt und eine Liste mit Anweisungen dagelassen, wie man das Zeug in der Mikrowelle aufwärmte, denn Laura konnte nicht kochen. Außerdem wollte sie ihr einziges Kind nicht durch eine Salmonelleninfektion verlieren. Laura
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