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Vier auf dem Laufsteg

Titel: Vier auf dem Laufsteg
Autoren: Sarra Manning
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knabberte an einem Keks und wartete darauf, dass das Wasser kochte. Dann hörte sie ein Geräusch und erstarrte... War es möglich, dass eine Büffelherde die Treppe heraufgedonnert kam?
    »Hallo-o! Jemand da?«
    Laura kannte die Stimme. Sie wusste nicht, woher, aber irgendwas an dem amerikanischen Näseln war ihr seltsam vertraut.
    Sie holte tief Luft und streckte ihren Kopf aus der Küche.
    »Hi. Ich bin... Oh verdammt, du bist Candy Careless!«
    Und ob sie das war.
    Sie stand mitten im Wohnzimmer und strich sich ihre unglaublich schwarzen Haare aus dem Gesicht, damit Laura die unglaublich blauen Augen und die Alabasterhaut in Wirklichkeit statt auf dem Bildschirm sehen konnte.
    »Ach, und du bist das Mädchen von dem Modelwettbewerb.« Candy linste auf einen Zettel in ihrer Hand, die von massenhaft vielen grellbunten Plastikringen fast zu Boden gezogen wurde. »Laura Parker? Du bist größer, als es im Fernsehen ausgesehen hat.«
    »Aber... was... ich meine...«
    Candy wartete geduldig, bis Laura die Wörter in einer einigermaßen verständlichen Reihenfolge ausgespuckt hatte.
    »Aber du bist doch kein Model, oder?«
    Candy warf sich in Pose: eine Hand auf die Hüfte gestützt, der andere Zeigefinger berührte ihr Kinn, während sie einen Schmollmund zog. Es wirkte total schräg, als würde sie sich für ein Publikum in Szene setzen, das nur aus einer Person bestand - Laura.
    »Ja, ich weiß, ich bin zu klein für den Laufsteg und für Shootings mit anderen Models, na ja, ich bin bloß fünf Zentimeter größer als ein biologisch definierter Zwerg, aber das ist total egal, wenn es um Promi-Marketing geht.«
    »Oooo... kay«, murmelte Laura und versuchte, dem Drang zu widerstehen, die Schultern hängen zu lassen, denn es war gut möglich, dass sie nur fünf Zentimeter von einem biologisch definierten Riesen entfernt war.
    Candy war genauso wie im Fernsehen: hundert Dezibel Lautstärke und dabei winzig, aber auf eine Weise, die den Rest der Welt glauben ließ, er selbst wäre einfach zu verdammt groß geraten, und das war ja nun wirklich nicht Candys Schuld.
    Laura knickte in den Knien leicht ein, um den Größenunterschied auszugleichen, und suchte verzweifelt nach einem anderen Gesprächsthema.
    »Schon irre, dass wir beide in einer Reality-Show waren«, war alles, was ihr einfiel.
    Candys Kopf schnellte so rasch herum, dass es bestimmt wehgetan hatte, aber vielleicht war es auch nur eine Vorübung zu einer Kopfdrehung wie bei Meryl Streep in »Der Tod steht ihr gut«.
    »›Familie Careless‹ ist keine Reality-Show«, fauchte sie. »Es ist ein das Genre neu definierendes, mit humoristischen Elementen arbeitendes Realitätsdrama, Fachbegriff ›Dramedy‹. Ich such mir jetzt mein Zimmer aus.«
    Candy Careless. In den Illustrierten auch als Candy Skrupellos bekannt, nachdem ihre Familie ihre flauen Finanzen durch eine eigene Reality-Show aufgebessert hatte. (Laura war egal, wie Candy das nannte: Es war eine Reality-Show.) Die ganze Welt kannte die Familie Careless, bestehend vor allem aus Vater David und Mutter Bette, den Altheiligen von Grunge und Emo und ziemlich jeder anderen Musikrichtung der letzten zwanzig Jahre, abgesehen vielleicht von R’n’ B und Crunk. Ihre Band The Careless war Mitte der Achtziger aus der New Yorker Kunstszene hervorgegangen und hatte alle Bands von Nirvana bis zu Death Cab for Cutie beeinflusst, aber sie hatte nie Geld gescheffelt, bis David und Bette mit ihren völlig durchgeknallten Mätzchen in einem kleinen New Yorker Apartment zu Primetime-Ruhm kamen. Candys Vater war ein einsilbiger Stoner-Rocker, ihre Mutter eine elegante, überreizte Neurotikerin, und die eindrucksvolle Conzeptua, eine Mischung aus Hausmeisterin, Kindermädchen und Managerin, hielt die Truppe zusammen. Aber es war Candy, die allen die Show gestohlen hatte. Candy mit ihren spektakulären Shoppingtrips, ihrem bissigen Witz und den lauten Streitereien mit ihrer Mutter - alles hautnah gefilmt zur übergroßen Freude des Fernsehpublikums -, Candy, die Quelle des oft zitierten Satzes: »Das ist mein Leben und mein Ding und mein Arsch!«, nachdem sie sich zu ihrem sechzehnten Geburtstag einen Tiger auf die Pobacke hatte tätowieren lassen.
    Laura stieß einen tiefen Seufzer aus, als Candy irgendwas wie »Dieses winzige Scheißhaus von einer Wohnung!« kreischte, aber bevor sie darauf reagieren konnte (wie zum Beispiel ein paar Innenwände einreißen), wurde sie durch die Ankunft von Candys Kofferset gerettet, auf
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