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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind
Autoren: Max. A Hoefer
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Grundeinkommen sollte nicht blind in den normalen Konsum fließen. Sinnvoll wäre stattdessen, die Krankenversicherung komplett aus Steuermitteln zu finanzieren. Gesundheit ist ein Glücksgut. Sich um die Kranken- und Pflegeversicherung finanziell nicht kümmern zu müssen, entlastet ungemein. Die Summe ist nicht übermäßig hoch, im Schnitt wären es 230 Euro pro Person, aber spürbar ist sie schon und vor allem ist die Zweckbindung praktisch. Zudem ist sie – im Unterschied zum Grundeinkommen in Höhe von 1000 Euro – noch insgesamt finanzierbar. Man müsste lediglich das Geld abschöpfen, das in Steuerparadiese wie die Cayman Islands abfließt.
    Weniger zu konsumieren muss nicht heißen, dass wir weniger Zufriedenheit aus dem Konsum ziehen. Allerdings kommen wir nicht darum herum, unseren Konsumstil auf den Prüfstand zu stellen. Im zweiten Kapitel habe ich beschrieben, dass es heute vor allem die romantische Suche nach dem Außergewöhnlichen ist, nach den Emotionen, die ein Produkt in mir auslöst, die uns auf die Jagd auf immer neuen Konsumerlebnissen schickt. Wann immer ein Produkt sagt: »erfinde dich durch mich neu«, sollten wir es nicht kaufen. Über Konsum wird man kein neuer Mensch und schon gar kein einzigartiger. Der Überbietungswettbewerb lässt uns nur unzufrieden zurück. Indem wir Produkte wieder mehr als Verbrauchsgüter sehen, die eine Funktion erfüllen, die wir also nicht aufladen als Helfer bei unserer Ich-Erschaffung, treten auch das Sinnliche und der Genuss wieder in den Vordergrund. Wir haben es als Verbraucher zum Teil selbst in der Hand, die Produkte in die richtige Richtung zu entwickeln: mehr Regionales, mehr Qualität.
    Mehr Zeit für Muße und andere Glücksgüter ist das Ziel. Wir hätten heute genug Geld und Zeit für Muße, wenn die Zwänge der vielen Tretmühlen uns nicht davon abhalten würden. Muße ist jene Zeit, die wir brauchen, um wieder in die Balance zu finden. Muße kennt keine Steigerung und auch keine Selbstoptimierung. Sie ist das Leben im Hier und Jetzt, kein Zustand der permanenten Bewährung, sie lebt in der Erfüllung des Augenblicks. Dazu braucht man Ruhe und Freiheit. Praktisch bedeutet das, nicht zu maximieren, nicht auf die Waage zu steigen, keine Kalorientabellen zu konsultieren, keine Google-Statistiken, keine Überprüfung von Plusschlag und Meilen auf dem Laufband im Fitnessstudio. Verabschieden wir die pseudo-rationale Kultur der Dauer- und Allesvermessung. Erobern wir uns das tiefere Verständnis für Zeit zurück, das nicht kurzfristigen Optionen nachjagt. Das gute Leben braucht Zeit.
    Um welche Glücksgüter muss es gehen? Nach Aristoteles sind bestimmte Glücksgüter notwendig, damit wir jemanden »glücklich« nennen können. Darunter zählte er Vermögen, Freundschaft, Nachkommen, Gesundheit, Schönheit, physische Stärke und ein günstig gestimmtes persönliches Schicksal. Diese, nicht vollständige Liste zeigt schon, dass Aristoteles nicht davon ausging, dass jeder Mensch zu hundert Prozent glücklich werden könne. Wer krank und arm ist, sollte sich diesen Zustand nicht schönreden, wie es das positive Denken empfiehlt. Auch wenn wir unsere Glücksgüter pflegen, was eine Voraussetzung zum guten Leben ist, kann uns ein ungünstiges Schicksal einen Strich durch die Rechnung machen. Würden wir alle Glücksgüter maximieren, würden wir nicht glücklich werden, sondern unsere Balance verlieren. Wer sich nur für die Familie aufopfert, ist genauso einseitig wie jemand, der auf Kinder der Karriere wegen verzichtet. Glücksgüter sind kein Mittel zum guten Leben, sie sind Teil des guten Lebens. Jeder sollte versuchen, das richtige Maß für sich zu finden. Die Betonung liegt dabei auf dem »für sich«, denn jeder Mensch hat viele unterschiedliche Begabungen und Ziele und was dem einen höchste Glücksgefühle bereitet, kann den anderen unberührt lassen, so dass jeder Mensch ein gelungenes Leben nur erreichen wird, wenn es ihm gelingt, für all dies die ihm gemäße Form zu finden.
    Vieles auf der Liste des Aristoteles deckt sich mit den Ergebnissen der modernen Glücksforschung. Sie kann recht genau sagen, wie sehr etwa Gesundheit oder Kultur und Sport zur Lebenszufriedenheit beitragen. Die aggregierten Zufriedenheitswerte der Deutschen ergeben umgekehrt auch eine recht verlässliche Vorstellung davon, was zur Unzufriedenheit beiträgt: Arbeitslosigkeit etwa oder Einsamkeit. 5 Bei vielen Glücksgütern haben wir es in gewissem Umfang selbst in
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