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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bildete: Spanien.
    Nur so ist zu verstehen, was in diesem Roman geschildert wird. Der verzweifelte Kampf gegen den Herztod mit Mitteln, die in der damaligen Zeit und in diesem Land als kriminelle Tat bewertet wurden. Was heute niemand mehr beachtet, was chirurgischer Alltag geworden ist, war damals mehr als eine Pionierleistung. Es war der Kampf eines Arztes gegen das Vorurteil von Jahrhunderten.
    So ist dieser Roman mehr als nur eine spannende Lektüre … er ist ein Blick in die Anfänge der großen Herzchirurgie, durch die heute Tausende von Kranken gerettet werden.
    Heinz G. Konsalik

Vor den Fenstern hingen lange Vorhänge.
    Draußen stand die Nacht, schwarz, feindlich, nur kurz unterbrochen von den Scheinwerfern einiger Wagen, die an der Seite des großen Hauses hielten und im Licht plötzlich aufflammender Glühlampen Bahren und stöhnende Menschen ausspien.
    Das Zimmer war schmal und lang. Vor dem Fenster stand das weiße, lackierte Eisenbett, daneben ein kleiner Nachttisch mit einem weißen Stuhl. An der gegenüberliegenden Wand hatten ein Tisch und zwei Stühle Platz. Das Bett war zur Tür hin mit einem weißbespannten Schirm abgedeckt.
    Auf dem Tisch brannte einsam und schwach eine kleine Tischlampe, deren Schirm man schräg gestellt hatte, damit der schwache Strahl nicht voll auf das Bett am Fenster fiel.
    Eine alte Frau hockte auf dem Stuhl, die Hände im Schoß gefaltet. Ihre kleinen, von Runzeln umgebenen Augen blickten unverwandt in das Gesicht des Kranken, der mit geschlossenen Lidern zu schlafen schien.
    Die alte Frau zog die Schultern etwas ein. Sie fröstelte, und sie raffte den alten Schal, der über ihrem Rücken lag, etwas zusammen und beugte sich vor, um mit der Hand nach dem Kopf des Kranken zu tasten.
    Er ist heiß, dachte sie erschrocken. Er hat Fieber. Sie rückte den Stuhl leise näher und ergriff die leblose Hand, die fahl auf der weißbezogenen Decke lag.
    Das Gesicht des Kranken war spitz, eingefallen, hohl. Der Tod lauerte in den eingesunkenen Augen, der spitz sich abhebenden Nase und dem gelblichen Ton der Haut, über der schwach glitzernd eine Schicht kalten Schweißes lag. Bei jedem Atemzug hob sich die flache Brust mit einem leisen Röcheln … dann verkrampften sich die Finger der schlaffen Hand, als zucke ein Schmerz durch den Körper, und der schmale Mund begann zu zittern, als wolle er schreien trotz seiner Ohnmacht.
    Ab und zu wehte es von der Tür her, und die gestärkte Haube einer Schwester beugte sich über die Schultern der Frau.
    »Noch ohne Besinnung«, sagte sie dann mit leiser, brüchiger Stimme. »Ob er wieder aufwacht, Schwester?«
    »Der Professor hofft es.« Die Schwester beugte sich über den Arm des Kranken und rieb die Armbeuge mit Alkohol ein. Dann stieß sie die Nadel der Spritze in die Vene, zog ein wenig das Blut auf und drückte dann die klare Flüssigkeit in die Blutbahn. »Was ist das, Schwester?« fragte die alte Frau, und ihre Hände im Schoß zitterten.
    »Cardiazol, Señora. Damit das Herz besser schlägt. Der Herr Professor hat es angeordnet.«
    »Dann ist es gut.« Vertrauen sprach aus diesen Worten, und dann nahm die alte Frau ein wenig Watte und tupfte die Blutstropfen weg, die nach dem Herausziehen der Injektionsnadel zögernd noch hervorquollen. »Wird Juan sterben?« fragte sie dabei.
    Die Schwester zuckte mit den Schultern. »Das liegt in Gottes Hand, Señora. Wir wissen es alle nicht …«
    Und wieder war sie allein und saß am Bett … Stunde um Stunde, und sie starrte auf das blasse, eingefallene Gesicht und die röchelnde Brust und betete still.
    Juan, dachte sie. Da liegt Juan, mein Kind. Neunzehn Jahre habe ich ihn gepflegt, neunzehn Jahre habe ich gegen das Schicksal gekämpft, und es war umsonst. Jetzt kommt das Ende, und ich bin machtlos wie alle Mütter, die am Bett ihres Kindes sitzen und warten … warten Stunden und Nächte und Tage auf ein Wunder, an das wir glauben, weil es ein Wunder an unserem Kinde sein muß.
    Sie stützte den Kopf in die Hände und schloß einen Augenblick müde die Lider. Als er geboren wurde, dachte sie, war er schwächer als Kinder sonst sind. Fast sechsunddreißig Stunden dauerte die Qual, und dann lagen wir beide mehr dem Tode nah in der Kammer und brauchten Monate, um wieder Menschen zu sein. Monate, in denen das Kind neben meinem Bette stand, in denen ich es immer sah, auf jeden Atemzug lauschte, auf jedes Schmatzen der kleinen Lippen mit zitternder Freude wartete, denn dann wußte ich, daß er sich
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