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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dach ausgebessert oder für die Kinder ein neues Kleid gekauft wurde. Und ab und zu leistete sich der alte Pedro auch ein Pfeifchen des strengen Granadatabaks, dessen Rauch dann die Hütte durchzog, fast ebenso beißend wie der Ofenqualm. Aber Pedro war glücklich, und Anita war es auch, wenn sie sah, daß ihr Mann oder die Kinder sich freuten.
    So war ihr Leben hingegangen, und es war Arbeit gewesen. Nichts als Arbeit, die ihre Hände hart und rissig werden ließ, den Rücken krumm und jetzt in den Körper die Wassersucht trug, daß sie aussah wie eine gut genährte, reiche Bäuerin, die immer Speck und Fleisch in der Kammer hat und einen guten Wein trinken darf. Doch wenn man in die pralle Haut drückte, blieb der Fingerdruck als weiße Einbuchtung im Fleisch haften, und was aussah wie gute Nahrung, war nur das vom Wasser aufgeschwemmte Fleisch.
    »Die Schweine müssen gefüttert werden«, sagte Anita und schob Juan den großen Trog hin. »Dein Bruder wartet schon auf dich! Waschen und essen kannst du nachher. Nimm den Trog.«
    Und Juan sagte nichts mehr, sondern ergriff den Kleiebrei und schleppte ihn aus der Hütte hinaus in die Morgensonne, die auf seinen Nacken brannte, als seien ihre Strahlen ein Bündel Nadeln, die sie zur Erde schleudert.
    Juan blinzelte in das Licht und setzte den Trog auf einem Holzstapel ab. Er sah Pedro im Stall bei den Kühen stehen und mit einer großen Gabel das vermistete Stroh zusammenstechen. Im Hühnerstall kniete Elvira, des Bruders junge Frau, und fütterte die flatternden und sich zankenden Hühner. Ein Truthahn plusterte sich in einer Ecke und sah neidisch zu den Fressenden hinüber. Und über allem lag die grelle Sonne … über dem Stall, über den Feldern, über dem Haus, über dem Hügel der Santa Madrona, über dem kleinen Fluß am Ende der Hügelkette, der hinüberfloß in den Rio Fresnedas, dem Fluß, an dem sich der Rebollero erhob, der über 1.100 Meter hohe Berg, auf dessen Gipfel Juan einmal stand und hineinblickte in das weite Land, das zu seinen Füßen lag. Es war Spanien, nur ein kleiner Teil … ein Blick über wenige Kilometer, und doch schon ein Land, das er nicht kannte und das ihm unerreichbar erschien wie seine große Sehnsucht Madrid. Madrid, die Stadt mit den großen Steinhäusern, den breiten Straßen und den Männern, die ihn verstehen konnten … den kleinen Bauern Juan, der aus grobem Sandstein Bilder, dem Menschen gleich, schlagen wollte. Er hatte damals lange auf dem Gipfel des Rebollero gestanden, und man hatte ihn im Tal gesucht … die Mutter, der Bruder und dessen hübsche, junge Frau Elvira …
    Ein lauter Ruf riß ihn aus seinen Gedanken empor. Pedro stand in der Tür des Stalles und warf die Gabel Mist auf einen Haufen. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Unter der braunen Haut seiner Arme spannten sich die Muskeln. Er war wirklich groß und stark, stark wie ein Bulle, mit kurzen, braunen Haaren, einem faltigen Gesicht trotz seiner siebenundzwanzig Jahre und einem kleinen, schmalen Schnurrbart über der etwas aufgeworfenen Lippe. Es war geballtes Leben in ihm, neben dem der junge Bruder wie ein Kind wirkte.
    »Sollen die Schweine verhungern?« brüllte Pedro über den Hof. Der Kopf Anitas erschien am Küchenfenster, aber sie sagte nichts, sondern sah Pedro nur an. Der senkte den Blick und stocherte wild in dem rauchenden Mist herum. »Bring den Trog, Juan«, sagte er etwas leiser, aber seine Stimme grollte noch immer.
    Und Juan brachte den Trog. Er stellte ihn auf den Rand der Schweinekaten und ließ die Kleie in die Freßschalen laufen. Sein Atem flog dabei, denn es war schwer, den großen Trog emporzuheben. Aber er tat es, verbissen, weil der Bruder in der Tür stand und ihn beobachtete. Er wußte, daß er es falsch tat, aber er tat es trotzdem, um zu zeigen, daß er doch zu etwas nütze war auf diesem Hof, den er haßte, auch wenn es seine Heimat war.
    Petro brummte etwas vor sich hin und ging zu seiner Frau hinüber.
    Sie war eine junge Frau von zweiundzwanzig Jahren, aus guter Familie mit einigem Landbesitz bei Puertollano, und sie hatten sich kennengelernt, als Pedro einmal einen größeren Posten Getreide in die Stadt brachte und den Jahrmarkt besuchte. Sie liebten sich, sie heirateten, und sie zog mit in die Einsamkeit von Solano del Pino, getrieben von der Leidenschaft ihres Blutes, die sie an diesen großen, starken Mann band. Er war ihr Herr; was er sagte und bestimmte, das duldete kein Nachdenken … aber sie leitete den groben
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