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Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid
Autoren: Bruce Sterling
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und meiner Haushälterin, Quadra Altmann.
    Warum ich mir einen menschlichen Haushälter halte statt einer Maschine, die alle anfallenden, nicht besonders geschätzten Arbeiten mindestens ebensogut erledigen kann? Nun, eins steht mal fest, Quadra ist nicht zu meiner sexuellen Befriedigung hier. Ich habe die Libido-Unterdrücker regelmäßig eingenommen, seit Professor Armbrust sie mir zum ersten Mal verabreicht hat. Mein haarloses Gesicht und meine hohe Stimme können das wohl ausreichend bestätigen. Auch habe ich Quadra nicht eingestellt, um es den Praktiken der Status- und herrschaftsbewußten Einheimischen nachzutun. Nein, ich habe sie in mein Haus genommen, weil sie mich angefleht hat.
    Ich besitze noch das Band, auf dem unsere erste Begegnung aufgezeichnet ist. Ich konnte ihrem Bitten einfach nicht widerstehen, als sie mitten in ihrem Wirrwarr dreidimensionaler Mosaike vor mir kniete, um mir direkt ins Gesicht sehen zu können. (Ich bin einen Meter sechzig groß, während Quadra nicht viel an zwei Metern vierzig fehlt.) Zwei Mitglieder der Perfekten Würger waren in ihr Atelier in der Zone eingestiegen, um sich nach einem Aufeinanderprall ihrer Bande mit den Kognitiven Dissonanzen zu verstecken. Als ungehobelte Klötze, die sie waren, machten sie sich einen Spaß daraus, Quadras Arbeiten zu zertrümmern: exzellente dreidimensionale Mosaike, wenn einem dieser Ausdruck für ihre Arbeiten - so wie mir - gefällt. Zu dem großen Pech der beiden alarmierten mich Quadras Falsettschreie und das Krachen der zerbrechlichen multileuchtenden Mosaikteile. Ich bin in ihre Wohnung eingedrungen und habe die beiden Perfekten Würger auf ebenso perfekte Weise zu Brei geschlagen. Ein wunderbarer Kampf, die Kameras haben alles aufgenommen, und danach hat Quadra aus dem Stegreif eine derartige Performance hingelegt, daß ich vor Bewunderung fast das Atmen vergessen hätte. Sie fiel vor mir auf die Knie, schlang ihre unfaßbar langen und dünnen Arme um meinen Hals und flehte mich an, ja, flehte mich buchstäblich an, sie zu beschützen und an einen sicheren Ort zu bringen. Ich zögerte, denn damals war ich geradezu besessen von der Vorstellung, mir das Image gnadenloser Unmenschlichkeit zuzulegen. Schließlich, als ich mir überlegt hatte, ich könnte die entsprechenden Bänder vor einer Veröffentlichung ja immer noch umschneiden und -kopieren, stimmte ich ihrem Wunsch zu, und sie fiel vor Erleichterung in Ohnmacht. Später habe ich herausgefunden, daß sie aufgrund einiger Kreislaufprobleme, die die planetare Schwerkraft bei ihr verursacht, fast schon regelmäßig ohnmächtig wird. Aber das schmälerte ihre großartige Performance nicht, und in meinem Haus hat sie seitdem einige ihrer besten Mosaikarbeiten kreiert.
    Quadra war zwei Jahre bei mir, als ich gerade ein gebrochenes Schienbein ausheilte, mir ein Mußeband ansah und mir einen Nikotinstoß versetzte. Quadra kam in mein Aufnahmezimmer und brachte einen leichten Nachtimbiß mit. »Die Sterne sind diese Nacht so einmalig schön«, sagte sie, schien aber etwas ganz anderes zu meinen. Sie war leicht errötet, und ihre Augen leuchteten. Auch dieser gelbe Film, der sich manchmal über das Weiße ihrer Augen legte, war verschwunden. Ich wußte zwar nicht, was der guten Quadra fehlte, aber ich nahm natürlich sofort an, der Sex plage sie. Seit sie bei mir wohnte, hatte sie keinen Liebhaber oder Freund gehabt. Seit ebenso langer Zeit versuchte ich schon, ihr die LibidoUnterdrücker schmackhaft zu machen, hatte damit aber nur sporadischen Erfolg. »Soll ich dir den Nacken massieren?« flötete sie. »Kann ich dir ein paar Kissen zurechtrücken? Oder willst du, daß ich dir die Hautsalbe einreibe? Oder möchtest du, daß ich dir sonstwas besorge?«
    »Quadra, du tötest mir den Nerv«, sagte ich. »Aber du könntest mir eine Schürze holen. Ich hasse es, nackt Heißes zu essen.« Ich hob den Deckel eines Topfes auf dem Tablett hoch. Dampf strömte hervor. Darunter befand sich in Würfel geschnittener, gebratener Riesenrochen, unter den Quadra gebackenes Marschgras gerührt hatte. Bei mir kommt nichts von diesen von den Eininseln importierten Plastikproteinen auf den Tisch. Ich schätze den idiosynkratischen Geschmack, selbst wenn er so ganz anders ist als bei synthetisch perfektionierter Nahrung. Manche Fanatiker mögen mich dafür schelten, das Fleisch wilder Tiere zu mir zu nehmen. Aber wo wir Menschen diese Insel schon einmal erobert haben, warum sollen wir nicht alles auf ihr
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