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Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid
Autoren: Bruce Sterling
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ERFAHRUNG ERWERBEN KANN. DIE KAMERA FOLGT UNS. DER GEDÄCHTNISÜBERTRAGER SIEHT HÄSSLICH AUS, WIRKT IN ARMBRUSTS ZIMMER ZU KLOBIG UND ZU ECKIG, INMITTEN DER GESCHMACKVOLLEN UND WARMEN TREIBHOLZVERKLEIDUNG, DEN LUFTIGEN MOBILES UND BLATTGLOCKEN, DEN GLÄSERNEN AQUARIEN UND TERRARIEN, DEM HÜBSCHEN BAND-MISCHPULT.) Sehr schön. Wie fühlst du dich jetzt, Video?
    SELBST: Wirklich gut, Professor.
    ARMBRUST: Wunderbar! Jetzt trink das hier (ES REICHT MIR EINE KERAMIKTASSE MIT EINER DICKEN, DUNKLEN FLÜSSIGKEIT, DIE DURCH DIE MENGE DER IHR ZUGEFÜGTEN TESTOSTERONHEMMER FAST SCHON KRISTALLIN IST), und dann bringe ich dich ans Riff, zum Schwimmen. Danach nehmen wir eine feine Mahlzeit zu uns, bevor wir mit deinem Unterricht beginnen. Du spürst doch noch keine Müdigkeit, oder?
    SELBST: (STELLT DIE LEERE TASSE AB) Nein! (BEGIERIG) Laß uns schwimmen gehen!
     
    Die Aufzeichnung endet, als wir beide durch die Tür gehen. Armbrust war nicht gerade begeistert von der Aufnahme meiner Geburt, nur ihr Wert für seine wissenschaftliche Arbeit interessierte ihn. Schließlich verlangt die Akademie der Wissenschaften das strikte Aufzeichnen jedes noch so kleinen Schritts bei einem Versuch.
    Ganz anders Rominuald Tanglin. Tanglin oder »Alter Herr«, wie meine Freunde und ich ihn bald genannt haben, war ein fanatischer Anhänger der Möglichkeiten des Videos. Er hat Images geschaffen, und irgendwann war er einer der einflußreichsten Politiker auf dem Planeten Niwlind (also auf einer Welt, die gerade für ihre ungeheuer verwickelten Intrigen bekannt ist). Ich kann nicht anders, als zu glauben, daß ich einige seiner bemerkenswerten Fähigkeiten auf diesem Gebiet geerbt habe.
    Es muß Tanglin geschmerzt haben, Hunderte von Jahren gespeicherter Erinnerungen in dem Personalcomputer zu löschen, den ich von ihm übernommen habe. Aber auch ihm war klar, daß die ungeheure Menge an Erinnerungen auf Band eine junge, sich noch in der Entwicklung befindliche Persönlichkeit wie die meine erdrückt hätte. Darüber hinaus hat er mir eine
    Aufzeichnung seiner beiden letzten Jahre hinterlassen. Sozusagen als sein sorgfältig zusammengestelltes, reiches Vermächtnis. Diese Aufzeichnungen befinden sich in einem Computer, einem hochentwickelten, niwlindischen Modell, einer Spezialanfertigung für Tanglin. Er kannte sich weit besser mit dem Gerät aus, als ich es je kennenlernen werde. Listig hat er sie irgendwo im Innern des Computers verborgen, als Teil eines Virusprogramms, das sie scheinbar nach dem Zufallsprinzip aktiviert und abspielt. Die Bänder sind an mich persönlich gerichtet. Gewöhnlich leitet der Alte Herr sie mit seinem runden Gesicht und einer unnatürlich strengen Miene ein. Stets hat er mich mit »Kid« oder »Sohn« angesprochen, damit nicht einmal meine engsten Freunde unsere wahre Beziehung entdecken konnten.
    Wie oft habe ich wahllos Bänder meiner eigenen kampfkünstlerischen Großtaten ablaufen lassen, um den Alten Herrn endlich schäumend vor Wut auf dem Bildschirm erscheinen zu sehen. Sicher einige Dutzend Male. Im Grunde genommen hat mich sein Hologramm stets und überall in meinem Haus verfolgt. Er gab mir Nachhilfeunterricht in Politik oder eröffnete mir die Perfidie seiner Gattin Zanks Pritzgift. Manchmal warnte er mich auch vor im verborgenen herumlungernden Aliens, die er nur »Blutsauger« nannte. Diese »Blutsauger« waren in seinen letzten Lebensmonaten bei ihm zu einer fixen Idee geworden. Er behauptete, nur deshalb den Umgang mit dem Nunchuck geübt zu haben, um sich vor diesen Fremden zu schützen. Er beharrte darauf, daß die »Blutsauger« degenerierte Abkömmlinge der Älteren Kultur seien. Grauhäutig und mit Gummiknochen versehen, seien sie und hätten hohle Schädel, an deren Innenseite sich rauhe, schwarze Fibern ausbreiteten. Natürlich konnte er für diese aberwitzigen Behauptungen ernsthaft nicht die Spur eines Beweises geltend machen. Und sobald ich ausgewachsen war, kaufte ich ihm keine dieser Gruselgeschichten mehr ab.
    Hunderte von seinen Bändern steckten in dem Computer. Er muß mindestens eins pro Tag bespielt haben, während der letzten beiden Jahre seines Lebens in der Orbital-Eininsel. wohin er sich zur Entgiftung seines Körpers zurückgezogen hatte. Während der letzten Woche, die er in Professor Armbrusts Haus über dem Thethys-Riff, etwa hundert Kilometer von Telset entfernt, verbracht hat, hat er sie überarbeitet. Manche Bänder, besonders die, auf denen er sich detailreich über seine
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