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Verzeihung, sind Sie mein Koerper

Verzeihung, sind Sie mein Koerper

Titel: Verzeihung, sind Sie mein Koerper
Autoren: Christl Lieben
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Unternehmen weit und breit. Ich entscheide täglich über Menschen mit einem Federstrich – au, mein Rücken ... wissen Sie, ich kann mich in letzter Zeit nicht mehr bücken. Warum grinsen Sie so schadenfroh? Wenn Sie sich so schlecht benehmen, werde ich mich nicht weiter mit Ihnen befassen. Wie bitte? Das habe ich nie getan? Natürlich nicht, Sie gefallen mir nicht. Sie grinsen an der falschen Stelle und außerdem haben Sie zu kurze Beine. Und bei Ihren Beinen kann man eigentlich nur wegschauen. Ich verstehe nicht, was wir miteinander zu tun haben sollten. Am besten gehe ich jetzt, ich muss zu einer Pressekonferenz, wo man auf meine Meinung zur politischen Situation von Frauen in Männerberufen wartet. Aber was machen Sie denn? Warum hängen Sie sich denn wie ein Mehlsack an mich dran, das ist ja unverschämt, zudringlich – Sie wollen zu mir gehören? Glauben Sie wirklich, dass ich mich mit so einem Mehlsack zeigen werde? Um die Mitte herum kann Sie ja der stärkste Mann nur schwer umfassen, und die Beine, wie gesagt. … Und haben Sie eigentlich auch einen Hals? Jetzt heulen Sie doch nicht! Was ist mit Ihrem Hals, ich kann ihn nicht finden.
Der Kopf sitzt auf den Schultern, wie haben Sie denn das gemacht? Also all diese Angriffe lasse ich nicht auf mir sitzen, das ist ja ungeheuerlich! Während ich den ganzen Tag an meinem Schreibtisch sitze und die Welt bewege, na ja, einen Teil der Welt jedenfalls, muss ich mir das anhören. Warum schauen Sie mich so flehend an? Was, Ihre Nerven, Sie können nicht schlafen? Was hat das mit mir zu tun? Nehmen Sie halt eine kleine weiße Tablette, oder … was weiß ich, ich weiß überhaupt nichts mehr! Ich verstehe nicht, was ich mit Ihnen zu tun haben sollte. Warum lassen Sie mich nicht in Ruhe? Sie sehen doch, ich habe es eilig. Man hat mir gesagt, Sie seien mein Körper und ich soll mich jetzt mit Ihnen herumschlagen. Ich weiß wirklich nicht, wozu ich einen Körper brauchen sollte. Sie gefallen mir nicht, gehen Sie mir endlich aus den Augen! Und schauen Sie mich nicht an wie ein verloren gegangener Hund. Irgendwer wird sich schon um Sie kümmern, ich kann es nicht, ich bin mit der Verwaltung von Menschen beschäftigt, eine einflussreiche Aufgabe. Ich habe Macht über das Leben anderer. Was, die haben einen Körper, der krank werden könnte? Was geht mich das an, was die für einen Körper haben … Ich brauche keinen, der ist nur lästig, merken Sie sich das! Ich fahre jetzt in mein Büro. Hören Sie, wieso sitzen Sie auf meinem Stuhl? Wie bitte? Meine Sekretärin grüßt Sie und nicht mich? Verzeihung, wer sind Sie wirklich …? Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen? Ich weiß nichts über Sie ... Schauen Sie mich nicht so an ... Was, jetzt trinken Sie meinen Morgenkaffee? Auf den habe ich mich schon die ganze Zeit gefreut, eine der wenigen Freuden an diesem Ort. Wo bin ich, wo sind Sie … sind Sie übrigens eine Frau? Aber Sie sitzen ja in einem Männersessel. Sind Sie am falschen Platz? Sind Sie eine Frau? Woran kann ich erkennen, dass Sie eine Frau sind? Außerdem, was ändert’s, ob Sie Mann oder Frau sind … die Männer haben das Sagen. Wer sind Sie denn? So sagen Sie es mir
doch endlich. Irgendwie schauen Sie meiner Mutter ähnlich … Hilfe … meiner Mutter, wie gibt’s denn das? Das Unding auf meinem Stuhl schaut aus wie meine Mutter! Sind Sie? Nein, Sie sind nicht, ja wer denn sonst? Sie wollen nur angenommen werden, egal wie Sie ausschauen? Oh Gott, wie komme ich wieder los? Meine Mutter will angenommen … Ah nein, dieses Ding hier ja von wem denn? Frau Bauer, bitte kommen Sie schnell herein und rufen Sie eine soziale Einrichtung an oder den Verein für Asylbewerber, dieses Ding in meinem Stuhl muss weg ... ich halt’s nicht mehr aus! Warum reden Sie denn mit dem Ding in meinem Stuhl, Frau Bauer, und nicht mit mir? Ich hab mich doch redlich bemüht, Frau Bauer, um dieses Ding. Man hat mir doch gesagt, es sei mein Körper, aber ich habe ihn verweigert, diesen Körper. Frau Bauer, Sie werden mich sicher verstehen. So ein hässliches Ding soll zu mir gehören? Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wer mir das gesagt hat. Ich war höflich am Beginn mit dem Ding, aber jetzt will ich es loswerden. Erst hat es nicht gewusst, wer ich bin, und jetzt weicht es mir nicht mehr von der Seite. Aber warum reden Sie denn
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