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Die Amazonen von Vanga

Die Amazonen von Vanga

Titel: Die Amazonen von Vanga
Autoren: Hubert Haensel
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    1.
     
    Das Schwert in deiner Hand ist Leben, ist Leib und Seele zugleich - hüte es wie deinen Augapfel und verbanne, während du es führst, jeden Gedanken an den Tod.
    Nur dann vermag die Klinge des Gegners dein Denken nicht zu lähmen, entgehst du ihrem tödlichen Hieb. Nur wenn deine Gedanken wie die Wogen des Ozeans sind, stürmisch und unaufhaltsam, wird dein Schwert offenbaren, was es vermag, wird es dir den Sieg bringen…
    (Aus der Lehre der Vervollkommnung)
     
    Die Bewegung war so schnell, daß keines Menschen Auge ihr zu folgen vermochte. Ein Ausfall, ein Wechseln der blitzenden Klinge von der Rechten in die linke Hand, gleichzeitig ein Hieb, der es weder an Geschmeidigkeit noch Härte fehlen ließ.
    Shantiga - der Drachenschlag. Von unten herauf geführt, konnte selbst ein gerüsteter Krieger ihm nichts entgegensetzen.
    Das Mädchen, dem dieser tödliche Streich galt, parierte mit letzter Kraft, vermochte aber nicht zu verhindern, daß ihm das Schwert aus der Hand geprellt wurde. Sich mehrfach überschlagend, wirbelte die Klinge zur Decke des kuppelförmig gewölbten Raumes empor und stürzte dann zurück. Zitternd bohrte sie sich in den Boden.
    »Ich hätte dich töten können!«
    »Ja, Mashagima, ich erkenne meinen Fehler.«
    »Dann nimm dein Schwert und kämpfe wie eine Frau!«
    Das Mädchen mußte mit beiden Händen zupacken, um die Klinge aus den hölzernen Intarsien zu ziehen, so tief war diese eingedrungen. Mit beinahe andächtiger Bewegung führte sie das kalte Metall an ihre Stirn und verharrte für eine Weile. »Bist du bereit, Burra?« Sie musterte ihr Gegenüber. Mashagimas Gesichtsmaske ließ keine Regung erkennen. Nur hinter den schmalen Augenschlitzen zeichnete sich ein jähes Aufleuchten ab.
    Im selben Moment sauste die Klinge heran.
    Mit der geschmeidigen Bewegung einer Wildkatze duckte Burra sich und fuhr herum. Ihr Schwert beschrieb dicht über dem Boden einen Halbkreis, aber Mashagima, die Frau, die man nie ohne Maske sah, entging dem tabigata mit einem einzigen Sprung.
    »Deine Art zu kämpfen ist mehr als nur plump«, höhnte sie.
    Noch immer schwieg Burra, preßte krampfhaft die Lippen aufeinander, bis diese einen blutleeren Strich bildeten. Ihr Gesicht war bleich, vom Schweiß glänzend. Die Haare hingen ihr in wirren Strähnen in die Stirn - noch besaß sie nicht das Recht, sie zu einem Knoten zusammenzustecken.
    Burra trug keine Rüstung, und das ließ sie zögern. Schon eine flüchtige Berührung von Mashagimas Schwert konnte tiefe Wunden reißen. Nicht, daß sie den Schmerz gescheut hätte oder den Tod; allein der Gedanke an eine mögliche Verletzung, die sie fürderhin von jedem Turnier ausschließen mochte, war bedrückend.
    Die beiden Kämpferinnen umkreisten sich lauernd.
    »Du wirst sterben, Burra!«
    Das Mädchen, das erst zwölf Lenze zählte, schnellte vor. Aber ihre schwungvoll geführte Klinge schnitt nur singend durch die Luft, denn Mashagima stand längst nicht mehr da, wo sie eben gewesen.
    Hinter der schwarzen Maske erscholl lautes Gelächter.
    »Ich hasse dich!« brüllte Burra. Mit beiden Händen hielt sie ihr Schwert, schwang es nach rechts und links und ließ es kreisen, wobei sie den Schwung ihres Körpers für jeden dieser Schläge nutzte. Mehrere Male war Mashagima gezwungen, zu parieren.
    »Du läßt dich von Gefühlen leiten«, rief die Amazone. Ihre Stimme war bar jeder erkennbaren Spur von Erschöpfung. »Die Kunst der Schwertführung liegt einzig und allein darin, daß du dich niemals ablenken läßt. Nur dann macht sich der Feind selbst zum Opfer, wirst du ihm zu jeder Stunde überlegen sein.
    Gib dich völlig hin, verschmelze mit deiner Waffe zu einer Einheit, die jenseits von Tod und Leben steht. Ahne die Schläge deines Gegners, ehe er selbst weiß, welche er ausführen wird.«
    Eine Welle der Schwäche durchflutete Burra. Gleichzeitig stieg Verzweiflung in ihr auf.
    Seit Tagen hatte sie gefastet, hatte sich nur auf die Stunden des Kampfes vorbereitet, die darüber entschieden, ob sie bleiben durfte oder die Burg verlassen mußte. Unermeßlich die Schmach, wenn sie unterlag. Würde sie dann je wieder ihrer Mutter, Gaida von Anakrom, unter die Augen treten können? Selbst vor Jodrel, ihrem Vater, mochte sie Scham empfinden.
    Burras Gesicht verzerrte sich zur Grimasse. Aus ihrer Kehle drang das Knurren eines gereizten Raubtiers.
    Sie hatte nichts zu verlieren. Lieber würde sie sterben, als mit der Schande zu leben.
    In einem letzten
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