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Verzeihung, sind Sie mein Koerper

Verzeihung, sind Sie mein Koerper

Titel: Verzeihung, sind Sie mein Koerper
Autoren: Christl Lieben
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spannend und kreativ sein, aber dort, wo es um Wesentliches geht, verstellen sie uns den Weg zu unserer eigenen Wahrheit.
    Kann es sein, dass wir in Bezug auf unsere Emotionen in einer Art kollektiver Unreife stecken? Wir haben nicht gelernt, bei unseren Gefühlen zu bleiben, sondern verlieren uns in ihren Abspaltungen.
    Woher diese Unreife? Haben wir uns zu wenig um die Entwicklung unserer Emotionen gekümmert? Zu wenig vielleicht nicht, aber wir tun es noch nicht lange genug.
    Der Körper wird seit jeher trainiert, zum Beispiel durch Sport – oft ohne wirklich verstanden zu werden. Der Geist wird seit Jahrtausenden in unzähligen religiösen Disziplinen geschult. Den bewussten, direkten Umgang mit Emotionen gibt es in unserem Kulturkreis erst seit Beginn der Psychotherapie, einer vergleichsweise sehr jungen Disziplin.
    Emotionen einerseits als sekundäre Gefühle zu erkennen, sie aufzulösen oder zu verwandeln, andererseits der Kraft, Tiefe und Wahrhaftigkeit primärer Gefühle zu vertrauen, das scheint ein Lernprozess zu sein, in dem wir alle noch sehr befangen sind. Da liegt, meines Erachtens, das Krisengebiet in der Kommunikation zwischen Geist und Körper.
    Emotional gesteuert von übernommenen bzw. gesellschaftlich oder religiös vorgeschriebenen Glaubenssätzen, die wir nicht hinterfragen, projizieren wir Trugbilder auf Geist und Körper. So verhindern wir einen fruchtbaren Kontakt zwischen
diesen beiden Bewusstseinsebenen. Es ist selbstverständlich, dass es einen Kontakt zwischen Geist und Körper gibt, sonst wären wir nicht am Leben. Ebenso selbstverständlich ist es, dass wir diesen Kontakt auch über weite Strecken für uns nutzen. Was uns aber mangelt, ist der bewusste Entschluss, unser Leben in seiner vollen Realität und damit Begrenztheit anzunehmen, so wie es ist. Immer wieder versuchen wir, mit dem Schicksal zu verhandeln, und verhindern auf diese Weise, dass aus dem Reichtum an vorhandenen Möglichkeiten unsere Lebenswirklichkeit entsteht. Diese Wirklichkeit suchen wir von Geburt an. Warum verweigern wir uns selbst den Weg dahin?
    Wie diese Überlegungen, Beobachtungen und Gedanken in meine psychotherapeutische Praxis einfließen, werde ich im nächsten Kapitel erläutern. (CL)

Die innere Haltung bei der Arbeit mit Körper – und Symptomaufstellungen
    Die Ros’ blüht ohn warum,
Sie blühet weil sie blühet.
Sie acht nicht ihrer selbst,
Fragt nicht, ob man sie siehet.
Angelus Silesius (1624 – 1677)
    Dieses Gedicht von dem Arzt Angelus Silesius beschreibt in einer wunderbaren Weise den Zustand des ganz »Bei-sichselbst-angekommen-Seins«. In unserer Auseinandersetzung mit uns selbst und mit unseren Klienten ist das ein Ziel, das fern und doch ganz nah ist. Wir tragen es in uns.
    Wie bei anderen Aufstellungen auch, legen wir auf die Haltung großen Wert. Sie sollte gekennzeichnet sein von folgenden Aspekten:
■ Abstinenz von Deutungen
■ Kein Anspruch auf Heilung
■ Demut vor dem Schicksal der Klienten
■ »Unwissenheit« und Unvoreingenommenheit
    Abstinenz von Deutungen
    Psychotherapeuten und – therapeutinnen sind oft gewohnt, den Geschichten von Klienten eigene Deutungen entgegenzuhalten. In der Aufstellungsarbeit ist gerade das Gegenteil erwünscht. Wenn wir uns jeglicher Deutung enthalten, ist das System frei, aus sich heraus Lösungen zu entwickeln. So vermeidet
man, dass sich jemand bloßgestellt fühlen könnte. Es geht hier nicht um »richtig« oder »falsch«, sondern um gewollte Mehrdeutigkeit, die der komplexen Geschichte eines jeden Klienten gemäß ist. Varga von Kibéd und Sparrer verweisen immer wieder darauf.
    Dies entspricht auch der Luhmann’schen Kommunikationstheorie von der Komplexität von Kommunikation und den jeweiligen autopoietischen Anteilen jedes Partners in der Kommunikation.
    Kein Anspruch auf Heilung
    Gerade Menschen in Gesundheitsberufen werden mit den Erwartungen konfrontiert: »Mach du mich gesund!« – »Zeig du mir den Weg aus meiner Krankheit!« – »Hilf mir zu verstehen, warum ich krank geworden bin!« – »Warum gerade ich?«. Wir müssen uns als Therapeuten klar darüber werden, dass Heilung nicht in unserer Macht liegt. Wenn wir das akzeptieren, haben wir es leichter und können uns unbefangener unseren Klienten und Patientinnen zuwenden. Allerdings ist dieser Anspruch auf Heilung
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