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Verwunschen

Verwunschen

Titel: Verwunschen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Scheckenpony folgte ihnen und begann nun um sie herum die Kräuter abzuzupfen.
    »Wie heißt denn dein Pony?«, erkundigte sich Mona.
    »Sein Name ist Cioclón. Das ist das gälische Wort für Wirbelwind .«
    »Wie gut gewählt«, fand Mona und betrachtete den Schecken voller Bewunderung. Cera beäugte das Pony misstrauisch, doch da es friedlich graste, ließ sie sich zwischen den Kindern nieder und legte den Kopf auf ihre Pfoten.
    »Eine Nachbarin hat uns erzählt, dass du hier mit deinem Bruder und deinem Großvater wohnst«, sagte Mona.
    Kylahs Miene verdüsterte sich. »So, haben sie wieder über uns geredet.«
    Mona hob nur die Schultern. Sie wollte nicht von Brendas Abneigung sprechen. »Was ist mit deinen Eltern?«, erkundigte sie sich stattdessen, bereute aber die Frage, als sie sah, wie Kylahs Miene noch abweisender wurde.
    »Ich habe keine Eltern«, erwiderte sie schroff. Mona hätte es dabei belassen, obgleich es sie natürlich interessierte, was mit Kylahs Eltern geschehen war, doch ihr Bruder war weniger rücksichtsvoll und bohrte nach.
    »Meinen Vater habe ich kaum kennengelernt. Er ist kurz nach der Geburt meines Bruders Finn verschwunden.«
    »Und deine Mutter?« Patrick ließ nicht locker und ignorierte die Blicke seiner Schwester, die ihm signalisierten, er solle das Thema beenden.
    Kylah holte tief Luft, ehe sie sagte: »Sie ist gestorben.«
    Patrick öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Er sah zu Boden und flüsterte: »Das tut mir leid für dich.«
    Mona nickte nur. Sie dachte an ihre Eltern und versuchte sich vorzustellen, wie ein Leben ohne sie wäre. Klar war es schön, ein Zeitlang ohne Aufsicht in Irland herumzustrolchen, aber sie wussten ja, dass sie bald wieder da sein würden. Mona hatte keine Ahnung, was sie zu Kylah sagen sollte, um sie zu trösten.
    Zum Glück wurden sie von dem traurigen Thema abgelenkt, als ein Junge um die Ecke bog. Er war sicher zwei oder drei Jahre jünger als Kylah. Mona schätzte ihn auf sieben. Er sah ihr ähnlich, war aber etwas kräftiger und hatte ein runderes Gesicht. Mit verschränkten Armen baute er sich vor den dreien auf und musterte sie.
    »Wer is’n das?«
    »Das geht dich gar nichts an«, fauchte Kylah. »Verschwinde!«
    Doch der Junge rührte sich nicht vom Fleck und starrte Mona und Patrick unverhohlen an. Mona versuchte sich an einem Lächeln.
    »Bist du Finn? Ich heiße Mona und das ist Patrick.«
    »Was willst du?«, unterbrach Kylah die Höflichkeiten.
    »Grandpa möchte noch einen Kräutertee mit Honig.«
    »Ja und? Kannst du ihm den nicht bringen?«
    Finn schüttelte den Kopf. »Nein, er hat nach dir gefragt. Und das Kaminfeuer muss wieder angemacht werden. Das Holz ist runtergebrannt.« Ohne ein weiteres Wort wandte sich Finn ab und stapfte davon.
    Kylah schimpfte. »Immer ich!«, doch dann sah sie zu den Zwillingen hinüber.
    »Wollt ihr mitkommen und unseren Großvater kennenlernen?«
    Die beiden nickten und folgten ihr neugierig hinüber zu dem kleinen Cottage. Auf einem Schaukelstuhl in dem offenen Wohnraum, der gleichzeitig einen Esstisch und eine Küchenzeile enthielt, saß ein Mann vor einem niedergebrannten Kaminfeuer. Obgleich es heute recht warm war, hatte er eine Wolldecke um die Schultern geschlungen. Als sich die Kinder näherten, wandte er den Kopf in ihre Richtung.
    »Kylah?«
    »Ja, Grandpa, ich bin hier. Und ich bringe dir Freunde mit. Es sind Mrs O’Connors Enkel, die gerade bei ihr zu Besuch sind.«
    »Isleens Kinder«, sagte der Alte und nickte mit einem Lächeln. »Kommt näher und setzt euch.« Er wandte ihnen sein faltiges Gesicht zu, dessen Haut wie altes Leder wirkte. Sein noch üppiges Haar war schlohweiß. Doch es waren seine Augen, die Mona unheimlich vorkamen und sie schaudern ließen. Ein weißer Schleier hatte sich über das ursprüngliche Braun gelegt, dass sie fast meinte, das Gesicht eines Toten vor sich zu haben.
    Als könne er ihren Blick spüren, sagte er mit einem Nicken: »Ja, meine Augen lassen mich immer mehr im Stich. Ich kann euch nur vage erkennen, und auch meine Beine wollen nicht mehr, daher falle ich Kylah schwer zur Last.«
    »Unsinn, Grandpa!«, widersprach Kylah und reichte ihm einen dampfenden Becher. »Das mach ich doch gern!«
    Zu Monas Überraschung gesellte sich Cera zu dem alten Mann und ließ sich von ihm den Bauch kraulen. Mona und Patrick kamen sich etwas überflüssig vor, während Kylah herumwirbelte, um das Feuer im Kamin wieder in Gang zu bringen und auf dem Herd einen
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