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Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Titel: Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
Autoren: Peter Englund
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sein, denn die ganze Nacht schwärmten Haufen leichter litauischer Reiterei dort draußen im Dunkeln umher. Sie taten, was sie konnten, um die Überquerung zu stören: Sie waren eine Quelle der Irritation, doch keineswegs ein Hindernis. Der Marsch über den Bug ging langsam voran. Als gegen vier Uhr der Morgenhimmel aufzuflammen begann, stand das gewundene Band der brandenburgischen Truppen noch immer auf der Nordseite des Flusses und wartete. Da brach die Brücke.
    Handwerker und Arbeiter kletterten sogleich auf ihr zerstörtes Skelett, und während die Sonne am Himmel heraufstieg, arbeiteten sie fieberhaft an der Reparatur der Brücke. Vier Stunden lang ruhte die Schlange aus Männern und Pferden auf ihrem Bauch, zur Hälfte jenseits des Flusses, vorübergehend zweigeteilt. Dann war die Brücke wieder einigermaßen heil. Die Schlange wand sich weiter.
    Und es wurde Morgen, der erste Tag. Die Luft wurde langsam sommerwarm. Der Marsch der Soldaten nach Südosten ging weiter, auf ihrer Rechten das breite, glitzernde Band der Weichsel, auf ihrer Linken das Grün des Waldes und über ihnen der hoch gewölbte blaue Himmel. Gegen zwölf Uhr wurde haltgemacht, und die Soldaten bekamen Zeit, zu essen und sich neben dem sandigen Weg ein wenig auszuruhen. Da hatte der Kopf der Schlange ein kleines Dorf, Jablona, erreicht. Dort hatten bereits einige kleinere Zusammenstöße mit umherstreifenden litauischen Patrouillen stattgefunden. Die ersten polnischen Gefangenen wurden nach hinten geführt. Der Aufenthalt zog sich in die Länge.
    Der König von Schweden, der korpulente Karl Gustav, und eine Reihe hoher Befehlshaber waren in einem rasch aufgeschlagenen Zelt verschwunden, wo sie aßen und Kriegsrat hielten. Offenbar war die Führung im Zweifel darüber, was zu tun sei. Nach einer Weile schien eine Art Beschluss gefasst worden zu sein, denn eine Truppe von 600 Reitern und Dragonern saß auf und verschwand in südlicher Richtung in der Hitze. Gleichzeitig erging der Befehl an die Verbände, sich in Schlachtordnung auf den Feldern um das kleine Dorf aufzustellen. Die zweieinhalb Kilometer breite Ebene zwischen den abfallenden Steilhängen zum Fluss hinunter und dem Wald wurde von Reiterei und Fußvolk in ihren rechteckigen Formationen überflutet. Damit die Kämpfenden besser zwischen Freund und Feind unterscheiden konnten, steckten sie sich nun Strohhalme an die Hüte oder umwickelten die Arme mit Strohbündeln. Das Losungswort des Tages wurde auch unter den Soldaten weitergegeben, es war «Hilf uns, Jesus!».
    Gegen vier Uhr am Nachmittag konnten die Soldaten die scharfen Trompetenstöße hören, die zu Pferd riefen. Der Marsch ging weiter unter einer glühenden Sonne. Der Korridor zwischen dem Fluss und dem Wald wurde bald enger, und die dicht gestaffelten Rechtecke von Männern und Pferden wurden mehr und mehr zusammengedrängt. Vor sich vernahmen sie das entfernte Dröhnen von Schüssen. Die Vorhut hatte den Feind gefunden. Die Schlacht hatte begonnen.
    Geschehen war Folgendes: Die Vorhut von 600 Mann war mit polnischer Reiterei zusammengestoßen. Nach einem kurzen Kampf flohen die Polen nach Süden. Die schwedischen Reiter stürzten sich Hals über Kopf in einen wilden Verfolgungsritt von gut fünf Kilometern. Die trockene Jahreszeit und der sandige Boden sorgten dafür, dass Jäger wie Gejagte in Staubwolken gehüllt wurden. Ein paar polnische Reiterverbände wurden plötzlich im staubigen Dunst sichtbar, mehr oder weniger überrumpelt, doch nach kurzem Gefecht verschwanden auch sie nach hinten über die Äcker. Die Schweden setzten ihnen nach, aber plötzlich entdeckten sie, dass sie, blind von all dem Staub, geradewegs in eine Reihe polnischer Befestigungen hineingeritten waren, die grau waren von Waffen. Die Polen eröffneten das Feuer mit allem, was sie hatten. Kartätschen, Musketenkugeln und Handgranaten prasselten auf die schwedischen Reiter herab. Die Gegner schienen jedoch ebenso überrascht worden zu sein wie die Schweden, und ein überstürzter Alarm rief die Männer hinter den Erdwällen zu Pferde. Der Kampf war nach wenigen Minuten vorüber. Die zischenden Projektile und der bedrohliche Anblick der Reitermassen, die sie hinter den Befestigungen erkennen konnten, ließen die schwedischen Reiter sich rasch zurückziehen.
    Währenddessen trafen die schwedischen und brandenburgischen Hauptstreitkräfte nach und nach ein. Ein Verband nach dem anderen marschierte auf der Ebene auf, die vor den polnischen
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