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Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Titel: Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
Autoren: Peter Englund
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losgeritten war, hatte es ununterbrochen geregnet. In acht Tagen musste er fünfmal den Hut wechseln, da der ständige, wolkenbruchartige Regen den Leim aus den Hüten wusch und sie unbrauchbar machte, doch der junge Mann wollte nicht anhalten, denn er hatte es eilig, zu dem neuen Krieg zu kommen.
    Zwar hatte er vorher einige Tage in Florenz verweilt – wo der Großherzog ihm und seiner Reisegesellschaft sechs Flaschen weißen Verdecawein und einen Korb mit Früchten und Wildbret geschenkt hatte, nur weil er aus dem mächtigen Reich im Norden kam, gegen das des Herzogs Bruder zuvor während des großen Unfriedens gekämpft hatte –, aber danach war es vorwärtsgegangen. Er ritt Tag und Nacht: auf gewundenen Gebirgswegen über die Alpen, vorbei an Innsbruck nordwärts nach Nürnberg. Nachdem das Wetter auf der Höhe von Bamberg klar geworden war, ging die Reise noch schneller vonstatten, und in einem wahnwitzigen Tempo passierte er Jena, Leipzig, Wittenberg, Berlin. In der Nacht auf den 11 . Juli erreichte er nach einem Tagesritt von 180 Kilometern Stettin an der Ostseeküste. Das war dreiundzwanzig Tage, nachdem er das sommerlich heiße Rom verlassen hatte.
    Eigentlich hatte er vorgehabt, in Stettin, das ja eine seiner vielen Heimatstädte war, eine Ruhepause einzulegen. Aber im Hafen lag gerade eine bauchige Galeote zur Abreise nach Preußen bereit, wohin sie mit einer Ladung Munition gehen sollte. Wenn er dieses Schiff nicht nahm, würde er fast eineinhalb Monate auf die nächste Schiffsgelegenheit warten müssen, und so viel Zeit hatte er nicht, also ging er an Bord.
    Der starke Wind führte sie hinaus auf die Ostsee. Das Schiff folgte der Küste, bis es drei Tage später in den Hafen der kleinen ostpreußischen Stadt Pillau einlief, von wo er sofort ins Landesinnere weiterreiste. Am nächsten Tag traf er einen Major, der auch auf dem Weg zu der schwedischen Armee war, die irgendwo ein Stück nördlich von Warschau stand. Die zwei ritten die Weichsel entlang nach Süden, und nachdem sie in Thorn die Pferde gewechselt hatten, erreichten sie am Abend des 17 . Juli das Lager der vereinigten schwedischen und brandenburgischen Armeen. Der Ort war Nowy Dwór, nahe der Stelle, wo der Fluss Bug in die breite Weichsel einmündet. Das letzte Stück ritten sie über gepflügte Felder, auf die langen, flaggengeschmückten Erdwälle des Lagers zu, über den kleinen Graben, an den Wachtposten vorbei und hinein zwischen die Lagerfeuer, die Wagen und die langen, strengen Reihen von Zelten und angebundenen Pferden. Er war angekommen.
    Doch auch hier bekam er keine Ruhe, denn es war etwas im Gange.
    Die Truppen machten sich kampfbereit, und später am Abend begannen sie, ihre Familien und alle zivilen Helfer, aus dem Lager hinauszumarschieren, Richtung Südosten. Während die Abenddämmerung sich zum Nachtdunkel verdichtete, zog eine Kolonne nach der anderen, die Pferde Maul an Schwanz, in einer langen, schweigenden Reihe an einem mauerumstandenen Friedhof vorbei, hinunter in die buschbewachsene Flussebene und hinauf auf die neu erbaute Brücke über den Bug. Die ganze Armee war auseinandergezogen zu einer langen, sich windenden Schlange von etwas über dreißig Kilometern Länge. Zuerst kam die Reiterei: Östgöten, Uppländer, Småländer, Finnen und alle Söldnerregimente; 7500 Mann formiert in 37 Schwadronen. Die 58 Geschütze der Artillerie rollten ebenfalls hinüber. Danach folgte die Infanterie: Västgöten, Skaraborger, Södermanländer und die Übrigen; 2000 Mann in sechs Brigaden aufgeteilt. Der Mann folgte ihnen.
    Die Schlange aus Männern und Pferden kroch langsam mit einer Geschwindigkeit von rund drei Kilometern in der Stunde voran. Die ganze Nacht vernahm man das Geräusch trampelnder Füße und klappernder Hufe, gemischt mit dem Ächzen der fünf Tage alten Brücke, die unter ihrem Gewicht schwankte. Die Trosswagen waren im Lager zurückgelassen worden, und stattdessen war an alle der Befehl ergangen, Proviant für drei Tage mitzuführen. Alles deutete darauf hin, dass ein Kampf nahe bevorstand.
    Es waren wohl äußerst wenige, die wussten, wohin sie eigentlich unterwegs waren, während sie vermutlich im Halbschlaf in den langsam vorwärtskriechenden Kolonnen eingeklemmt standen. Sie bewegten sich, ohne Trommeln und klingendes Spiel, in die Richtung von Warschau und auf das große polnisch-litauische Heer zu, oder auf jeden Fall in die Richtung, in der man dieses vermutete.
    Der Feind konnte nicht weit entfernt
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