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Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Titel: Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
Autoren: Peter Englund
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ab.
    Während sich schon das Dunkel langsam über die Ebene senkte, hingen das Krachen und das Knallen der Kanonen und Handfeuerwaffen noch immer im lauen Wind. Der Teil der alliierten Reiterei, der in vorderster Linie stand, eingezwängt vor der eigenen Infanterie, litt am meisten. Brummende Geschosse rissen ein ums andere Mal Löcher in die dichten Reihen. Pferde und Männer stürzten in den Staub. Blutende Männer mit zerfetzten Gliedern, die von den Kanonenkugeln getroffen worden waren, wurden nach hinten getragen. Während das Dunkel sich verdichtete, sah die schwedische Führung ein, dass es sinnlos war, ihre Truppen entblößt und untätig vor den polnischen Feuerrohren stehen zu lassen. (Außerdem war die Reiterei für den Kampf im Dunkeln ganz ungeeignet, und die Führung kannte auch das Terrain nicht.) Es erging Order an sämtliche Streitkräfte, sich zurückzuziehen. Auf den Feldern verstreut lagen die Körper von Menschen und Pferden. An einzelnen Stellen sah man ganze Ketten von Toten säuberlich aufgereiht liegen: der Effekt einzelner Geschosse, die geradewegs die dicht gestaffelten Glieder von Männern durchschlagen hatten.
    Noch um zehn Uhr am Abend fuhren die funkensprühenden Feuerbesen aus den polnischen Geschützen. Erst gegen Mitternacht ebbte der Waffenlärm im Nachtdunkel ab. Und so endete Freitag, der 18 . Juli 1656 .
    Was eigentlich geschehen war, wussten nur wenige. Die alliierte Führung hatte am Tag zuvor erfahren, dass die gegnerische Streitmacht vorübergehend geteilt war – der erste Schritt eines polnischen Zangenmanövers gegen das schwedische Lager in Nowy Dwór –, die litauischen Streitkräfte standen auf dem östlichen Ufer der Weichsel, die Armee der Krone auf dem westlichen. (Außerdem waren die großen tatarischen Verstärkungen, die der Feind erwartete, noch nicht eingetroffen.) Karl Gustav hatte sich einen einfachen Plan ausgedacht, der darauf hinauslief, dass man eine Art Zentralposition einnahm, von der aus man seine Feinde einzeln angreifen und schlagen konnte. Zuerst würde man die Litauer auf dem östlichen Weichselufer überrumpeln, sie vernichten und die Brücke nach Warschau zerstören, bevor jemand ihnen zu Hilfe kommen könnte. Danach würden die Streitkräfte sich auf das westliche Ufer der Weichsel begeben und die Armee der Krone angreifen. Es kam jedoch ganz anders.
    Der Einsturz der Brücke machte auch alle feinen Berechnungen zunichte. Der Aufmarsch der Alliierten verzögerte sich dadurch um gut acht Stunden. Und bei dem Dorf Jablona hatte die alliierte Führung eine unangenehme Nachricht bekommen: Ihr heimlicher Anmarsch war entdeckt, und die Polen waren dabei, ihre zerstreuten Streitkräfte zu sammeln. Einige in der Führung hatten da zu zweifeln begonnen. Die Voraussetzung der ganzen Operation war ja, dass man zum Angriff gegen das große feindliche Heer gehen sollte, während es zersplittert war. Einige sprachen sich für einen Rückzug aus, doch der schwedische König Karl Gustav, ein bekannter Spieler und Draufgänger, bestand auf dem Plan.
    Die ersten Berichte, dass ihr Feind unterwegs sei, hatten die polnische Führung schon gegen zehn Uhr am Vormittag erreicht. Sie hatte deshalb reichlich Zeit, sich vorzubereiten. Auf der Nordseite des litauischen Lagers wurde ein hektisches Graben eingeleitet, und schon bald erhoben sich die Befestigungen, über die die Schweden später stolperten, aus dem sandigen Gelände, und sie wurden mit Kanonen und Musketieren gefüllt. Die heranziehenden Tataren erhielten Order, nicht gleich zur Hauptmacht zu stoßen, sondern in etwa zwanzig Kilometern Entfernung zu warten. Ihr Führer Kazi Aga befahl seinen Truppen, sich zu sammeln. Ihre Aufgabe war, den Alliierten in den Rücken zu fallen. Und die Armee der Krone hatte Order bekommen, sofort umzukehren. Alle verfügbaren Kräfte sollten auf dem westlichen Weichselufer gesammelt werden. Die Stimmung unter den polnischen Streitkräften war von heiterer Zuversicht geprägt, sie witterten einen großen Sieg; jemand hatte sich sogar bereits ausgedacht, wo die zwei Verbündeten, Karl Gustav und der Kurfürst von Brandenburg, nach der Schlacht gefangen gehalten werden sollten. Als die siegesgewissen Schwadronen der Hauptarmee über den Fluss ritten, konnten sie die polnische Königin Louise-Marie sehen, eine herbe Frau mit lockigem Haar und großen Augen, die in einer Karosse am westlichen Ende der Brücke saß und die Vorüberreitenden anspornte. Einer der Krieger rief zurück,
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