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Verwegene Herzen (German Edition)

Verwegene Herzen (German Edition)

Titel: Verwegene Herzen (German Edition)
Autoren: Carrie Lofty
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eisblauen Tiefen erkannte er keine Seele, keinen Hinweis auf ihre Persönlichkeit.
    Ein Schauer des Abscheus überlief ihn.
    „Ihr hättet eine großartige Zeugin abgegeben. Wann wolltet Ihr es mir sagen?“
    „Ich hatte überhaupt nichts dergleichen vor.“
    „Ich vermute, Ihr wartet auf eine Gelegenheit zur Flucht?“
    „Oder zur Rettung. Der Earl of Whitstowe und sein Sohn boten mir ihre Hilfe an“, sagte sie. „Gewiss werden sie einen Suchtrupp ausschicken.“
    Ihr mit Waid gefärbtes Kleid klebte an ihrem Oberkörper. Es war nass, schmutzig und vermutlich älter als sie beide. Ein Beutel hing an ihrer Taille. Beinahe empfand er Mitleid für das abgerissen aussehende Mädchen, doch kein Mitleid war stark genug, um seinen Ärger zu vertreiben.
    „Ihr wartet vergebens. Der Earl ist tot.“
    „Ihr lügt!“
    „Warum sollte ich?“
    Sie runzelte die Stirn, schien über die Frage nachzudenken und die Antworten abzuwägen. „Mir fällt kein Grund ein.“
    „Und mir fällt kein Grund ein, warum ich eine blinde Zeugin durch den Wald begleiten sollte.“
    „Aber mein Zuhause liegt meilenweit von hier entfernt!“
    Ein Anflug von Ritterlichkeit weckte sein Gewissen und zeigte ihm Bilder, wie die arme Frau in sechs Stunden aussehen würde – nass und irgendwo gestrandet in der Kälte des Abends. Schon jetzt streifte ein Luftzug kühl seine Haut, oder war das der Beginn eines Fiebers? Er zitterte unkontrolliert. Je eher er seine lästige Verpflichtung loswurde, desto schneller konnte er seine Wunde versorgen.
    Aber wohin sollte er gehen? Keiner seiner Bekannten würde einem von Nottinghams Männern Quartier anbieten. Wills Arbeit für den Sheriff hatte ihn von seinen wenigen Freunden entfremdet.
    Und was Marian betraf, so wollte er sie nicht um Hilfe bitten – nicht nach seinem Versprechen. Vor allem nicht, weil Robin vermutlich aus Chalus zurückkehren würde.
    Nein. Er musste seinen eigenen Weg gehen.
    „Tut mir leid, Miss.“
    „Bitte! Ich kann mich um Eure Wunde kümmern!“
    Sie streckte den Arm aus und tastete nach ihm. Rasch umfasste Will ihre Arme; auch wenn er sich über diese Regung ärgerte, wollte er nicht mit ansehen, wie sie noch einmal stürzte.
    „Seid Ihr eine Heilkundige?“
    Sie verzog die Lippen zu einem dünnen Strich. „So etwas Ähnliches. Meine Schwester half mir dabei.“
    „Half?“
    „Hilft. Würde ich daran zweifeln, dass sie noch am Leben ist, wäre ich nicht hier.“
    Sein Misstrauen erwachte. Er rieb über die alte Narbe auf seiner Handfläche. „Wo ist sie?“
    „Ich weiß es nicht. Ada ist seit zwei Wochen fort.“
    Ada. So lautete ihr Name. Während des Hinterhalts hatte er Meg mit der dreisten Schwindlerin auf dem Markt von Nottingham verwechselt. Aber bei näherer Betrachtung bemerkte er Unterschiede. Meg war schmaler, an Gestalt und im Gesicht, mit einem ausgeprägteren Kinn und einem lebhaften, lächelnden Mund. Und den verschleierten blauen Augen.
    Hätte Will nach einem überzeugenderen Grund gesucht, seine Last loszuwerden, so hatte er ihn jetzt gefunden: Er hatte ihre Schwester eingesperrt.
    Er löste sich von ihren Händen und damit, wie er hoffte, auch von ihrem Schicksal. „Betrachtet unseren Ritt als das Einzige, was ich heute an Höflichkeit aufzubringen vermochte.“
    „Ihr wart nicht höflich!“ Auf ihren Wangen erschienen rote Flecke. „Ihr wolltet mich benutzen, um durch mich Finchs Henker zu entgehen.“
    Will unterdrückte einen Widerspruch. Er hatte sich aus selbstsüchtigen Motiven in den Kampf geworfen. Wie sollte er diese Momente der Verwirrung am Straßenrand erklären? Verbündete und Schurken hatten wie in einem wilden Reigen die Positionen gewechselt, hatten die Plätze getauscht, bis er durch Megs ängstlichen Aufschrei aus der allgemeinen Verwirrung aufgeschreckt wurde. Ihr Schrei war laut, schrill und verzweifelt gewesen, ohne Plan oder Berechnung.
    Und ob es ihm gefiel oder nicht, sein Körper reagierte. Seine Seele. Mit dem, was an ihm am reinsten war, am ehrbarsten, hatte er sie gerettet – und sich damit gänzlich anders verhalten als ihrer Schwester gegenüber. Er vermochte die Gründe für das eine ebenso wenig zu verstehen wie die niederen Motive in Bezug auf ihre Schwester. Sie zu retten war das Selbstloseste gewesen, das er getan hatte, seit er Marian verließ.
    Er erwartete Dankbarkeit, doch was Meg für ihn übrig hatte, verdiente er noch mehr: Sie spie ihm vor die Füße.
    „Das reicht“, sagte er. „Ich gehe.“
    „Und
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