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Verwegene Herzen (German Edition)

Verwegene Herzen (German Edition)

Titel: Verwegene Herzen (German Edition)
Autoren: Carrie Lofty
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schmeckte.
    Panik drohte die Ruhe und Gefasstheit zu zerstören, die sie so mühsam aufrechterhielt. Sie befreite sich aus seinem Griff und stolperte, worauf sie nach dem nächstbesten Halt griff: Scarlets Oberarm. Er schrie auf. Als er versuchte, abzuschütteln, was ihm diesen Schmerz verursachte, berührte er ihre Kapuze. Sofort zog sie den Kopf zurück.
    „Lasst los!“
    Sie hörte seine Stimme ganz nahe an ihrem Ohr. „Ihr zuerst!“
    Sie tat es. Er stieß sie von sich, und sie verlor die Orientierung, als sie mit einem Platschen auf den Knien landete. Sie schrie auf, voller Angst, dass das Wasser sie umfangen würde. Aber dann spürte sie den Schlamm zwischen ihren Fingern und begriff, dass sie sich am flachen Ufer des Flusses befand. Mit einem letzten Rest von Vernunft schob sie sich den Beutel auf den Rücken, damit er nicht nass wurde.
    „Ihr sagtet nichts von einer Verletzung“, erklärte sie. „Ich wollte Euch nicht wehtun.“ Als er still blieb, hockte sie sich hin und drehte sich zu ihm. „Habt Ihr gehört?“
    „Es ist nicht nötig, dass Ihr davon wisst.“
    Furcht durchströmte ihren erschöpften Körper. Er befand sich weiter flussabwärts als sie es vermutet hatte. Seine Stimme klang schmerzerfüllt, beschwor in ihr grässliche Bilder herauf. Wie viel von dem Geruch, den sie wahrgenommen hatte, war von seinem Blut gewesen?
    „Diese Wunde wäre für jeden, der sehen kann, offensichtlich gewesen – aber Ihr könnt nicht sehen, oder?“
    Bäume ächzten, Vögel sangen – die Geräusche des Flusses übertönten alle Laute des Waldes. Doch sie vernahm nichts als das Rauschen ihres Blutes.
    „Nein, das kann ich nicht.“

2. Kapitel
    Wir können mit unserem getrübten Blick
    die Dinge nicht hell wie einstmals sehen,
    noch können wir unsere alten Freunde bitten,
    nie ohne uns zu gehen …
    „Robin Hood, An Outlaw“
    Leigh Hunt, 1820
    Z  wischen seinen Brauen erschien eine tiefe Falte. Unglaube und Zorn rangen miteinander, gefolgt von dem Gefühl, sich wie ein Narr verhalten zu haben. Will war entschlossen gewesen, Carlisle und den verräterischen Mannen des Earls zu entkommen, wobei er geflucht hatte, weil er in den Wald zurückkehren musste. Dass die Frau, die er durch eben jene Wälder schleppte, blind war, war ihm vollkommen entgangen. Sie stolperte, griff nach seinem verletzten Arm, um sich zu stützen, versuchte, sich den Weg durch den dichten Wald zu bahnen – und konnte nicht sehen. Diese schlichte Tatsache erschien ihm wie ein Hohn. Das behagliche Leben in verschiedenen Adelshäusern hatte seine Fähigkeiten und Instinkte geschwächt, aber dieser Fehler war unverzeihlich. Er hatte kaum eine Chance, dem Vorwurf, Whitstowe ermordet zu haben, zu entgehen, wenn er so etwas Offensichtliches nicht bemerkte. Dieses Versagen lenkte seine Gedanken unweigerlich auf seinen Onkel. Robin, Earl of Loxley, der berühmte Geächtete Robin Hood, wäre mit dieser Situation anders umgegangen. Vor allen Dingen hätte er sich nicht am Straßenrand versteckt, um den schmutzigen Auftrag des Sheriffs zu erledigen.
    Seine Wunde pochte. Wie viel musste er an diesem verhexten Tag noch ertragen?
    Will kniete sich am Ufer nieder, Wasser lief durch die ruinierten Sohlen seiner Schuhe, als er sich zu der Frau umdrehte. „Wie lautet Euer Name?“
    „Endlich fragt Ihr danach.“
    Missgelaunt rieb er über die Bartstoppeln an seinem Kinn und hätte sie am liebsten geschüttelt, bis die Antworten aus ihr herauspurzelten. Stattdessen zog er sie hoch und trat zurück, ehe er seinen wachsenden Zorn an ihr auslassen konnte.
    „Anstelle von Manieren musstet Ihr Euch damit begnügen, dass ich Euch gerettet habe“, sagte er. „Wie heißt Ihr?“
    Sie zog die Kapuze ab und schüttelte einen zerzausten Zopf von dunklem, hüftlangem Haar aus, das feucht war vom Flusswasser. Ihr Gesicht war schmal und länglich. Der Mund mit den vollen Lippen zog sich an den Winkeln ein wenig nach oben, sodass es aussah, als lächelte sie.
    Aber er verstand nicht, was es da zu lächeln gab.
    „Ich bin Meg“, sagte sie schließlich.
    „Sonst nichts? Woher kommt Ihr?“
    „Zuerst aus Keyworth. Jetzt aus der Nähe von Broughton.“
    Er betrachtete ihr Gesicht, das jetzt befreit war von den safrangelben Falten der Kapuze, und wunderte sich wieder über seinen nachlässigen Umgang mit der Situation. Ihre blinden Augen waren mit einem hellen, silbrig-glänzenden Film überzogen und schienen auf nichts Bestimmtes gerichtet zu sein. In ihren
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