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Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz

Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz

Titel: Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz
Autoren: Marlitt Wendt
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stand.
     

    Während das Vollblut meist leicht erregbar ist, neigt der typische Kaltblüter bei Gefahr zur Erstarrung.
     
    Ein vereinfachtes Modell wie das des Herden-, Steppen- und Fluchttieres bleibt eine unvollständige Annäherung an die Realität. Da es nicht sämtliche Facetten des Verhaltens beschreiben kann, bleibt es eine grobe Vereinfachung. Leider werden aber aus solchen vereinfachten Modellen nur allzu gerne „Wahrheiten“ und „bahnbrechend“ neue Theorien der Pferdetrainer abgeleitet. Hier sollte man Vorsicht walten lassen. Wenn schon die Grundannahmen der populären Trainingsmethoden auf einem überholten wissenschaftlichen Ansatz basieren, so können die daraus abgeleiteten Ansichten das Wesen des Pferdes nur äußerst unzureichend wiedergeben. Viele Pferdetrainer sprechen beispielsweise davon, das „natürliche Fluchtverhalten“ des Pferdes, das Weglaufen, durch das Treiben mit der Peitsche auszulösen. Dabei übersehen sie jedoch, dass nicht jeder Pferdetyp in seinem Fluchtverhalten diesem Muster folgt, sondern als mögliche Angstreaktion auch zur Erstarrung neigen kann. Dem komplexen Wesen eines bestimmten Pferdes wird ein Trainer durch die einfache Gleichung Scheuchen = Flucht bestimmt nicht gerecht.
    Pferd ist nicht gleich Pferd
    Schlagen wir einen beliebigen populärwissenschaftlichen Artikel zum Thema Pferd auf, so werden wir schnell feststellen, dass immer dieser eine Grundtypus Pferd beschrieben wird: Das Pferd ist ein Herdentier, das Pferd ist ein Fluchttier, das Pferd lebt in einem Haremsgefüge, das Pferd ist mit sieben Jahren ausgewachsen und so weiter. Bestenfalls wird darauf hingewiesen, dass es natürlich eine große Variationsbreite gibt, aber es wird zu wenig auf die gravierenden Unterschiede eingegangen.
    Warum wird überhaupt nur ein Grundtypus beschrieben? Vereinfachung ist zunächst einmal unumgänglich, da wir Menschen uns nur so in einer komplexen Welt zurechtfinden können. Außerdem ist es natürlich sinnvoll, uns auch das Verhalten des Pferdes zunächst vereinfacht vorzustellen, um dann immer komplexere Sachverhalte in unsere Vorstellungen mit einzubeziehen. Manchmal kann Vereinfachung jedoch auch gefährlich sein, nämlich dann, wenn wir dem tatsächlichen Wesen der Pferde damit nicht mehr gerecht werden können, und spätestens, wenn findige Pferdetrainer aus diesen Vereinfachungen ganz simple Schlüsse ziehen und sich auf Kosten der Pferde profilieren wollen.
     

    Jedem Pferd in seiner Individualität gerecht werden - das ist die wichtige Aufgabe des Menschen.
     
    Wer haltbare und widerspruchsfreie Aussagen über die Natur und das Verhalten der Pferde machen möchte, muss große Sorgfalt bei der Beobachtung walten lassen. Daten sollten immer objektiv gesammelt werden und durch Statistik verifizierbar sein. Hier beginnt das Drama der „Pferdestudien“: Die meisten Daten der Pferdegurus beruhen auf persönlichen und somit subjektiven Erfahrungsberichten einzelner Personen. Viele dieser Beobachtungsdaten halten einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht stand und dürfen eher als interessante Anekdoten angesehen werden. Sicher hat so mancher kalifornische Pferdetrainer in seinem Leben viele praktische Erfahrungen mit Pferden gemacht, er wird jedoch vermutlich keine wissenschaftlich anerkannte Form der Datenerhebung gewählt haben.
    Auch kann ein statistischer Wert niemals eine Vorhersage zum zukünftigen Verhalten eines einzelnen Tieres machen. Eine Studie hat immer einen beschreibenden Charakter und der Forscher will Aussagen für eine Tierart im evolutionsbiologischen Kontext machen, nicht jedoch Aussagen für den Einzelfall auf unseren Weiden. In der Wissenschaft werden keine Wahrheiten, sondern nur Theorien erarbeitet, also Erklärungsmodelle, die immer nur so lange Bestand haben, bis ein besseres Modell gefunden wurde. Viele Pferdetrainer greifen nun bestimmte Aspekte oder Begriffe aus der Verhaltensbiologie heraus und konstruieren daraus eine Trainingsmethode, die sich am gegenwärtigen Geschmack orientiert. Im Gegensatz zur Wissenschaft sind diese Trainingsmethoden dann buchstäblich in Stein gemeißelte Wahrheiten und können wunderbarerweise sogar Aussagen über das zukünftige Verhalten unserer Pferde treffen.
     

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