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Versuchung

Versuchung

Titel: Versuchung
Autoren: Juliane Maibach
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um einiges schlechter gehen als mir, denn immerhin hatte er gerade seine
beste Freundin verloren. Doch er ließ sich nichts anmerken und rannte weiterhin
so schnell es ging, um unsere möglichen Verfolger abzuschütteln.
      Erst gegen Morgen
machten wir Rast. Die Sonne hob sich langsam, wärmte den kalten Boden und
tauchte alles in goldenes Licht. Ich hatte jedoch keinen Blick dafür, sondern
sah zu Devil, der weiterhin eisern schwieg.
      „Ich kann gar nicht
sagen, wie leid mir das mit Banshee tut“, begann ich vorsichtig. „Sie hätte
nicht sterben dürfen.“
      Ich spürte, wie
meine Stimme zu zittern begann, als ich erneut ihr Gesicht in meiner Erinnerung
sah.
      Er antwortete
nicht, erhob sich stattdessen und räumte unsere Sachen zusammen.
      „Wir sind bald da.
Gegen Nachmittag müssten wir das Tor erreichen.“
      Ich erstarrte, als
ich seine Worte hörte. Wir würden uns also bald trennen müssen. Ich hatte nicht
damit gerechnet, dass wir schon so bald da wären.
      Ich sah ihm dabei zu,
wie er den Rucksack packte. Er beachtete mich nicht eine Sekunde lang. Es tat
mir unheimlich weh und ich spürte diese eiserne Distanz zwischen uns. Seine
Augen strahlten nicht mehr, wenn sie mich ansahen, sein wundervolles Lächeln
war verschwunden. Er war kalt und abweisend, doch ich wusste nicht genau, warum.
Lag es an der Trauer? Oder war er wütend auf mich, weil ich zu lange gewartet hatte,
um Banshee zu Hilfe zu kommen? Gab er mir ebenfalls die Schuld an ihrem Tod?
      „Es tut mir leid“,
versuchte ich es von Neuem. „Ich mache mir auch die ganze Zeit Vorwürfe deswegen.
Ich weiß, dass ich schneller hätte sein müssen. Wäre ich früher losgerannt, würde
sie vielleicht noch leben.“
      „Das ist doch
Unsinn, du kannst nichts dafür. Und jetzt red bitte nicht mehr davon.“ Er stand
auf und sah kurz zu mir. „Lass uns weitergehen. Wie es aussieht, haben wir alle
abgehängt, gerade darum sollten wir uns nun wieder bedeckter halten.“
      Er wandte sich
einfach ab und ging los. Mit starren Augen sah ich ihm nach und konnte nicht
aufhören zu zittern. Ich spürte es, doch wollte ich den Gedanken nicht
zulassen. Was war nur los? Dieser Blick … er war mir so vollkommen fremd und
machte mir Angst.
      Dennoch folgte ich
ihm. Die Gedanken drehten sich in meinem Kopf. Ich konnte einerseits verstehen,
dass es ihm momentan nicht gut ging, aber dennoch … Er war so anders … Ich
dachte an seine kalten Augen und spürte, wie sich das Grauen um mein Herz
schloss. Da war nichts Vertrautes mehr zwischen uns, keine Nähe. Stattdessen
nur das Gefühl, ihn überhaupt nicht zu kennen.
      Immer wieder
versuchte ich, mit ihm zu sprechen, doch wenn er überhaupt antwortete, dann nur
in kurzen Sätzen. Mein Brustkorb schnürte sich stetig weiter zu. Bald würde ich
gehen müssen. Das war der Moment, den ich seit so langer Zeit gefürchtet hatte.
Seine Worte hatten mir damals jedoch etwas Zuversicht verliehen: „Ich verspreche
dir, dass ich einen Weg finde, damit wir uns sehen können. Ich liebe dich und
will dich nicht noch einmal verlieren.“
      Doch ob er jetzt
auch noch so darüber dachte? Ich spürte, dass sich irgendetwas zwischen uns
verändert hatte, und fürchtete mich vor der Wahrheit. Dennoch würde ich mit ihm
sprechen müssen. Ich konnte nicht einfach so gehen. Ich musste die Gewissheit
haben, ihn wiedersehen zu können, ihn nicht erneut zu verlieren. Ich spürte den
Schmerz in meinem Herzen, als ich daran dachte.
      Mit trübem Blick
sah ich in den Himmel. Er hatte sich inzwischen zugezogen. Dicke, schwarze
Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben und ich spürte die ersten Regentropfen
auf mich herabfallen.
      Ich überlegte, wie
ich mit ihm reden sollte, suchte nach den passenden Worten. Schließlich brach
es einfach so aus mir heraus. Ich blieb stehen und sah ihn an.
      „Was ist los mit
dir? Es ist doch nicht nur wegen Ban-shee, oder? Du bist so seltsam …“
      Er hatte mir den
Rücken zugekehrt und antwortete mit rauer Stimme.
      „Lass uns einfach
weitergehen. Wir sind bald da und ich will es endlich hinter mich bringen.“
      Ich stutzte. Wie
hatte er das gemeint?
      „So kann ich aber
nicht gehen.“ Ich schluckte schwer. „Ich liebe dich.“
      „Hör endlich auf
damit!“
      Seine Worte waren
wie ein Peitschenhieb und ich wich erschrocken zurück.
      „Du kannst doch
nicht wirklich annehmen, dass wir jemals zusammen sein könnten?!“ Nun wandte er
sich um und seine
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