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Verschlossen und verriegelt

Verschlossen und verriegelt

Titel: Verschlossen und verriegelt
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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stellen, dennoch war alles von einem vagen Mangel an Ordnungsliebe und von einer allgemeinen Unordnung geprägt, die zwar oberflächlich, aber spürbar und irgendwie gemütlich war.
    Das galt insbesondere für die Schreibtischschubladen. Es konnte keinen Zweifel daran geben, dass jemand erst kürzlich zahlreiche Dinge aus ihnen entfernt hatte, aber etliches war noch da. Zum Beispiel alte Taxiquittungen und Kinokarten, zerbrochene Kugelschreiber und leere Tablettenschachteln. Mehrere Stiftablagen mit zusammengehakten Büroklammern, Gummiringen, Zuckerstücken und Portionsbeuteln Süßstoff. Zwei Erfrischungstücher, ein Paket Papiertaschentücher, drei Patronenhülsen und eine kaputte Armbanduhr der Marke Exacta. Außerdem eine große Zahl von Zetteln mit verstreuten Notizen, verfasst in einer sehr gut lesbaren Handschrift. Martin Beck war durchs Haus gegangen und hatte die Mitarbeiter begrüßt. Die meisten waren alte Bekannte, jedoch bei weitem nicht alle. Jetzt saß er an seinem Schreibtisch und musterte die Armbanduhr, die ihm hochgradig unbrauchbar zu sein schien. Das Glas war von innen beschlagen, und als er sie schüttelte, rasselte es im Gehäuse, als hätte sich jede einzelne Schraube im Uhrwerk aus ihrer Verankerung gelöst.
    Lennart Kollberg hämmerte gegen die Tür und trat ein. »Hallo«, sagte er.
    »Herzlich willkommen.«
    »Danke. Ist das deine Uhr?«
    »Ja«, antwortete Kollberg finster. »Sie ist versehentlich in der Waschmaschine gelandet. Hatte vergessen, die Taschen auszuleeren.« Er sah sich um und fuhr entschuldigend fort: »Ich habe am Freitag versucht, hier etwas aufzuräumen, aber ich wurde unterbrochen. Na, du weißt ja, wie das ist…« Martin Beck nickte. Kollberg war der Mensch, hatte, und sie hatten sich nicht viel Neues zu sagen. »Wie läuft's denn mit dem Abnehmen?«
    »Gut«, sagte Kollberg. »Heute Morgen hatte ich ein halbes Kilo abgenommen. Von hundertvier auf hundertdreieinhalb.«
    »Dann hast du also nur zehn Kilo zugenommen, seit du angefangen hast?«
    »Achteinhalb«, erwiderte Kollberg mit einer Miene verletzter Würde. Er zuckte mit den Schultern und fuhr klagend fort:
    »Es ist zum Kotzen. Das ganze Projekt ist unnormal. Gun lacht mich bloß aus. Bodil übrigens auch. Wie geht es dir denn eigentlich?«
    »Gut.«
    Kollberg runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Stattdessen zog er den Reißverschluss seiner Aktentasche auf und holte eine hellrote Plastikmappe heraus. Sie schien einen nicht sonderlich umfangreichen Bericht zu enthalten. Etwa dreißig Seiten. »Was ist das?«
    »Lass es uns ein Geschenk nennen.«
    »Von wem?«
    »Von mir, zum Beispiel. Obwohl, eigentlich stimmt das nicht. Es kommt von Gunvald Larsson und Rönn. Sie finden die Sache zum Piepen.«
    Kollberg legte die Mappe auf den Tisch. Dann sagte er: »Ich muss leider los.«
    »Wohin?«
    »Ins RPA.«
    Was im Klartext Reichspolizeiamt bedeutete. »Warum?«
    »Diese verdammten Banküberfälle.«
    »Für die ist doch eine Sonderkommission eingesetzt worden.«
    »Die Sonderkommission braucht Verstärkung. Letzten Freitag hat sich schon wieder so ein Holzkopf erschießen lassen.«
    »Ja, das habe ich gelesen.«
    »Der Reichspolizeichef hat daraufhin sofort beschlossen, die Sonderkommission zu verstärken.«
    »Mit dir?«
    »Nein«, erwiderte Kollberg. »Eigentlich mit dir, glaube ich. Aber die Anordnung kam letzten Freitag, und da war ich hier noch der Boss, weshalb ich eigenmächtig einen Entschluss gefasst habe.«
    »Nämlich?«
    »Nämlich, dir dieses Irrenhaus zu ersparen und selbst einzuspringen, um die Sonderkommission zu verstärken.«
    »Danke.«
    Martin Beck meinte, was er sagte. Die Mitarbeit in der Sonderkommission hätte vermutlich bedeutet, sich täglich mit dem Reichspolizeichef, mindestens zwei Abteilungsleitern, diversen Polizeidirektoren und anderen bombastischen Amateuren konfrontiert zu sehen. Kollberg hatte sich diese Zumutungen eigenmächtig aufgebürdet.
    »Nun«, sagte Kollberg. »Im Gegenzug habe ich das hier bekommen.«
    Er setzte einen dicken Zeigefinger auf die Plastikmappe. »Was ist das?«
    »Ein neuer Fall«, antwortete Kollberg. »Im Gegensatz zu Bankraub und anderem ein wirklich hochinteressanter Fall. Nur schade, dass…«
    »Was?«
    »Dass du keine Detektivromane liest.«
    »Wieso?«
    »Du würdest ihn dann unter Umständen mehr zu schätzen wissen. Rönn und Larsson glauben, dass jeder Detektivromane liest. Eigentlich ist es ihr Fall, aber sie haben so viel Mist um die Ohren, dass
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