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Verschlossen und verriegelt

Verschlossen und verriegelt

Titel: Verschlossen und verriegelt
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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sei nun definitiv nicht mehr lebensbedrohlich. Im Gegenteil, er werde wieder völlig gesund werden, vorausgesetzt, dass er sich sehr schone. Aber zu der Zeit hatte er bereits aufgehört, ihnen zu glauben.
    Er hatte sich allerdings sehr geschont. Eine Alternative hatte es im Grunde auch gar nicht gegeben.
    Nun hieß es, er sei völlig geheilt. Es gab jedoch auch diesmal einen Zusatz: körperlich.
    Außerdem sollte er das Rauchen aufgeben. Seine Luftröhre war nie wirklich gesund gewesen, und ein Lungendurchschuss hatte die Sache nicht besser gemacht. Nach dem Verheilen waren um die Narbe seltsame Flecken aufgetaucht. Martin Beck stand auf.
    Er ging durchs Wohnzimmer in den Flur hinaus und holte die Zeitung, die auf der Türmatte lag, setzte seinen Weg in die Küche fort, während er und so sollte es den Meteorologen zufolge offenbar auch bleiben. Ansonsten schien sich alles wie üblich zum Schlechteren zu entwickeln. Er legte die Zeitung auf den Küchentisch und holte Joghurt aus dem Kühlschrank. Trank. Es schmeckte wie immer, nicht gut und nicht wirklich schlecht, nur etwas abgestanden und künstlich. Wahrscheinlich war der Karton schon zu alt gewesen, als er ihn gekauft hatte. Die Zeiten, in denen man in Stockholm etwas Frisches kaufen konnte, ohne besondere Anstrengungen zu unternehmen oder schwindelerregend überhöhte Preise zu zahlen, waren längst vorbei.
    Seine nächste Station war das Badezimmer. Nachdem er sich gewaschen und die Zähne geputzt hatte, kehrte er ins Schlafzimmer zurück, machte das Bett, zog die Pyjamahose aus und kleidete sich an.
    Währenddessen schaute er sich desinteressiert in seiner Wohnung um.
    Die meisten Stockholmer hätten sie eine Traumwohnung genannt, denn sie lag in der obersten Etage eines Hauses in der Köpmangatan in Gamla stan, der Stockholmer Altstadt. Seit mehr als drei Jahren wohnte er nun hier, und er konnte sich noch gut erinnern, wie wohl er sich bis zu jenem Tag auf dem Dach in ihr gefühlt hatte.
    Jetzt fühlte er sich vor allem eingeschlossen und allein, sogar wenn ihn jemand besuchte. Vermutlich lag es gar nicht an der Wohnung; in letzter Zeit hatte er sich des Öfteren dabei ertappt, sich auch im Freien eingesperrt zu fühlen. Ein vages Bedürfnis machte sich geltend, vielleicht danach, eine Zigarette zu rauchen. Die Arzte hatten ihm zwar gesagt, er müsse aufhören, aber das war ihm egal. Entscheidender war da schon die Tatsache, dass das staatliche Tabakunternehmen die Marke, die er geraucht hatte, nicht mehr herstellte. Mittlerweile wurden überhaupt keine Zigaretten mit Pappmundstück mehr angeboten. Zwei oder dreimal hatte er andere probiert, sich aber einfach nicht an sie gewöhnen können. Heute zog er sich mit besonderer Sorgfalt an, und während er seine Krawatte band, musterte er lustlos seine Schiffsmodelle, die auf einem Regal über dem Bett standen. Drei Stück, zwei vollendet und das dritte halb fertig. Mehr als acht Jahre war es her, dass er mit dem ersten begonnen hatte, aber andererseits hatte er sie seit jenem Tag im April letzten Jahres nicht mehr angerührt.
    Seitdem waren sie sehr eingestaubt.
    Seine Tochter hatte sich mehrfach angeboten, das zu ändern, aber er hatte sie gebeten, es sein zu lassen.
    Es war acht Uhr morgens am 3. Juli 1972, einem Montag. Das Datum hatte eine besondere Bedeutung.
    An diesem Tag würde er wieder zur Arbeit gehen.
    Er war immer noch Polizist, genauer gesagt Kriminalkommissar und Leiter der Reichsmordkommission.
    Martin Beck zog sein Jackett an und steckte die Zeitung in die Tasche.
    Er hatte vor, sie in der U-Bahn zu lesen. Dies war Teil seiner täglichen Routine, zu der er zurückkehren würde.
    Er ging im Sonnenschein die Skeppsbron entlang, atmete die vergiftete Luft ein und fühlte sich alt und ausgebrannt.
    In seiner äußeren Erscheinung spiegelte sich jedoch nichts davon wider. Er wirkte vielmehr drahtig und gesund, bewegte sich schnell und geschmeidig. Ein großer, sonnengebräunter Mann mit einer markanten Kieferpartie und ruhigen, graublauen Augen unter der breiten Stirn. Martin Beck war neunundvierzig Jahre alt. Bald würde er seinen fünfzigsten Geburtstag feiern, aber die meisten fanden, dass er jünger aussah.

4
    Das Zimmer im Polizeipräsidium Süd an der Västberga Allé zeugte davon, dass lange Zeit ein anderer Leiter der Mordkommission gewesen war.
    Es war sauber und aufgeräumt, und jemand hatte sich sogar die Umstände gemacht, eine Vase mit Kornblumen und Margeriten auf den Schreibtisch zu
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