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Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt
Autoren: Petra Richartz
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Ein Reporter steuerte geradezu Richtung Sara, Alan Lundberg von der San Diego Tribune. Er war immer einer der ersten am Tatort und hetzte mit jedem seiner Artikel gegen Sara und ihr Team. Er war mittlerweile der Star, wenn es um die Berichterstattung ging. Als er an Sara herantrat, konnte sie sein Rasierwasser riechen. Sein Jackett war ihm zwei Nummern zu groß und seine dunklen Haare hatte er zu einem Zopf zusammengebunden. „Sgt. Cooper, es ist das vierte Kind! Können Sie immer noch nichts aufweisen? Wir wollen endlich Antworten! Und zwar JETZT!“ Sara wollte erst kommentarlos an ihm vorbeigehen, Lilly atmete schon auf. Doch dann blieb Sara stehen, drehte sich um und schnauzte ihn an. „Pass mal auf, Lundberg! Kümmere du dich um deinen Scheiß und misch dich nicht in Sachen ein, von denen du keine Ahnung hast. Und jetzt verpiss dich und lass mich meine Arbeit machen!“ Lilly sah, wie Sara ihre Hand zu einer Faust schloss und hoffte, dass sich Sara nicht gehen lässt – wie so oft in der Vergangenheit. Sie fragte sich immer wieder, warum sich Sara einfach nicht im Griff hatte. Mit jedem neuen Fall wurden ihre Wutausbrüche unberechenbarer. Lilly hatte einmal versucht, Sara darauf anzusprechen, aber auch sie wurde nur unschön angefahren. Seitdem behielt sie ihre Gedanken lieber für sich.

    Ein Polizist hob das gelbe Band hoch und nickte den beiden Frauen zu. Sie betraten das Haus. Es war ein großes helles Anwesen mit hohen Wänden im typischen Vorstadt-Stil, den die Amerikaner so liebten. Das ganze Haus war voller Beamter in weißer Schutzkleidung. Kommoden und Schränke wurden durchwühlt. Alles wurde genauestens durchsucht und auch hier wurden sämtliche Spuren gesichert. Lilly gab Sara weiße Latex-Handschuhe, damit sie keine Fingerabdrücke hinterließ. Beide zogen sich Überschuhe an und gingen durch einen langen Korridor, der mit einem edlen Teppich gesäumt war. An der Wand hingen Familienfotos. Sara blieb vor einem Bild stehen, das einen Jungen mit braunen Locken zeigte. Der Kleine lächelte mit einer großen Zahnlücke und einem frechen Blick in die Kamera. Das musste Bryan sein. „Wo steckst du, kleiner Mann?“, flüsterte Sara und sah das Bild eindringlich an, als hoffte sie, eine Antwort von ihm zu bekommen. Sie steckte das Bild samt Rahmen ein und ging weiter. Vom Flur ging es links hinein in die Küche, die mit großen hellen Fliesen ausgestattet war. Das Sonnenlicht schimmerte durch die heruntergelassenen Jalousien. In einer Vitrine sah man ein edles Speiseservice, das wahrscheinlich immer nur zu besonderen Anlässen aufgetischt wurde. Alles war an seinem Platz - blitzblank geputzt. Nicht ein Teller stand rum, es herrschte eine penible Ordnung. An einem großen Keramiktisch saßen die Haushälterin, die völlig aufgelöst war, und Shawn O’Grady, Saras Kollege. Shawn nahm gerade ihre Aussage auf und versuchte dabei, die ältere Dame immer wieder zu beruhigen. „Was genau haben Sie gesehen? Ist Ihnen irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen? Jede Kleinigkeit ist wichtig. Vielleicht ein Fremder vor dem Haus oder ein seltsamer Anruf?“ Die Frau weinte nur und konnte kaum sprechen. „Nein, nein. Alles war wie immer. Wo ist Bryan?“, stammelte sie immer wieder. Shawn reichte ihr ein Taschentuch, welches wohl nicht das erste war, wenn man den Berg betrachtete, der auf dem Tisch lag. Er sah Sara und Lilly an und schüttelte den Kopf, was heißen sollte: Hier kommen wir nicht weiter. „Wo sind die Eltern?“, fragte Sara. „Die Mutter ist zusammengebrochen und mit einem Schock ins Krankenhaus gebracht worden. Der Vater ist auf Geschäftsreise irgendwo in Europa und konnte noch nicht erreicht werden. Wir sind dran“, antwortete Lilly, immer ihren Notizblock in der Hand. Sara kniff ihre Augen zusammen und dachte nach. „Wir fahren zur Mutter ins Krankenhaus“, erwiderte sie schließlich.

    In dem Moment kam Cruz Rodriquez dazu, der vierte im Haupt-Ermittlerteam der Division Kindesentführung . „Das halte ich für keine gute Idee, die Frau ist völlig am Ende. Sie hat Beruhigungsmittel bekommen. Gib ihr eine Weile und...“, Sara ließ ihn nicht aussprechen und fauchte ihn an. „Wir haben keine Weile! Verdammt noch mal. Ein Junge ist verschwunden, jede Sekunde zählt. Wir fahren ins Krankenhaus.“ Sie war gereizt. Der schroffe Ton ihrer Aufforderung ließ alle zusammenzucken. Sie sah, wie sich Cruz und Lilly einen betroffenen Blick zuwarfen. Sara schloss die Augen: „Tut mir leid, Leute.
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