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Verschleppt ins Tal Diabolo

Verschleppt ins Tal Diabolo

Titel: Verschleppt ins Tal Diabolo
Autoren: Stefan Wolf
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von hier.
    „Wenn ich das so sehe“, meinte
Klößchen, während er eine Schokotafel aufknickte, „wir leben wirklich in einer
Millionenstadt. Das heißt, Gaby und Karl sind die Städter. Wir, Tim, verbringen
unsere Jugend im Grünen vor den Toren der Stadt. Eine Internatsschule sollte
grundsätzlich in freier Natur liegen. Wegen der gesunden Luft.“
    „Ich weiß nicht, ob du das
schon mitgekriegt hast“, wies ihn Gaby zurecht. „Tagsüber seid ihr beide
ständig hier. Und nachts, wenn ihr in eurer Bude Adlernest pennt, ist dort die
Luft wie hier in Zimmer elf. Und das liegt nur an deinem Schnarchen. Wer den
Bauch voller Schokolade hat, der dampft eben auch wie ein Kakao-Kessel.“
    „Was aber besser riecht als
Stritzis Angstschweiß — oder wonach es hier müffelt“, erwiderte Klößchen.
    Tim hatte sich über den
Stadtplan gebeugt. „Weshalb, Gaby, interessiert er dich?“
    „Wegen der Kringel.“
    Tim hatte sie ebenfalls
entdeckt, obwohl sie sich von der farbigen Vielfalt nur schwach abhoben. Es
waren Bleistift-Kringel.
    „Kompliment, Pfote. Dir entgeht
nichts. Bist ja auch die Tochter deines Vaters.“

    „Zähl mal die Kringel!“
    Tim lächelte bitter. „Brauche
ich nicht. Ich weiß auch so, dass es zwölf sind.“
    Gaby nickte. „Stritzi hat die
Plätze markiert, wo er eine Bombe gezündet hat. Es verteilt sich über die ganze
Stadt. Erstaunlich, dass er den Plan hier liegen lässt.“
    „Der Kerl rechnet nicht damit,
dass sich irgendwer für den Papierkorb interessiert. Ohne unsere Nachforschung
wäre es ja auch so. Der Stadtplan würde im Müll verschwinden. Außerdem — meine
ich — hat diese Entsorgung-Geste eine Bedeutung: Die Bomben-Erpressung ist
abgeschlossen. Er wird sie nicht fortsetzen.“
    „Aber“, sagte Karl, „ein Profi
wie er kann sich die Knallerbsen doch auch woanders beschaffen. Roberto Fulvati
ist schließlich nicht der einzige Bastler.“
    Tim nickte. „Und das beunruhigt
mich. Wenn ein entsprungener Knacki zwölf Bomben-Anschläge verübt und dann
aufgibt, kann das nur heißen: Er hat was Besseres vor, was Größeres, was
Einträglicheres. Deshalb hat er hier die Platte geputzt, deshalb hat Olaf
Riedmeyer ihn abgeholt. Was die beiden auskochen — das habe ich im Gefühl —
wird in die Jahrbücher der Kriminalgeschichte eingehen.“ Bedrückte Stille.
Jeder hing seinen Gedanken nach. Tim hörte, wie unten auf der Straße ein Wagen
hielt und Türen geschlossen wurden. Wespe und sein Team rückten an.
    „Hast du ‘ne Idee“, fragte
Gaby, „was die Knackis planen könnten?“
    „Wir müssten ihre Vorgeschichte
kennen, ihre Akte — vielleicht gibt das Aufschluss.“
    „Am besten, wir fragen meinen
Papi, wenn wir ihn morgen Mittag besuchen.“
    „Das müssen wir noch
besprechen“, sagte Karl, „wegen des Geschenks. Wir können ja nicht mit leeren
Händen in der Stadtrand-Klinik antanzen. Mir ist auch schon was eingefallen.
Weil ich gestern was gesehen habe.“
    An der Etagentür der Pension
wurde geläutet. Samirer öffnete. Stimmen.
    „Wespe kommt“, sagte Klößchen.
     
    *
     
    Bernd Riedmeyer,
SAFEGUARD-Wachmann und Freizeit-Gärtner bei Erich Schulten, war gefahren wie
der Teufel, hatte viel riskiert auf der Autobahn und rollte jetzt unter hohem
blauem Himmel durch südliche Landschaft. Italien. Wie schön. Die Seen lagen
hinter ihm. Pinien und Zypressen säumten die Landstraße. Ein Hinweisschild zum
Tal Diabolo. Er fuhr durch das Dorf Chisotitta. Verwaiste Straßen. Ein alter
Mann auf einem Gartenstuhl trank aus einer Weinflasche. Auf einer niedrigen
Mauer saßen zwei Mädchen. Der laue Wind spielte in langen schwarzen Haaren. Die
eine zeigte lachend blitzende Zähne und winkte Bernd zu. Sie war höchstens elf
oder zwölf und flirtete sicherlich nur auf Entfernung.
    Er fuhr durch ein Felsentor.
Dahinter breitete sich das Tal Diabolo aus, umstanden von 3000ern, gerahmt von
schroffen Felswänden, von denen hier und dort ein silbriger Wasserfall stürzte.
Der Talboden war ein Blütenmeer. Die bunte Vegetation zog sich hinauf bis in
eine Höhe von 1500 Metern. Zwei Greifvögel — es konnten Steinadler sein —
kreisten Beute suchend am Himmel. Die Straße schnitt durch das Tal. Wege
zweigten ab, verschwanden hinter Hügeln und Anhöhen. Trotz seiner Breite — das
Tal war unübersichtlich. Vereinzelte Land- und Ferienhäuser versteckten sich.
Niemand sah, was der Nachbar trieb. Wer hier eine Behausung besaß, wollte
Abschirmung, suchte Einsamkeit und
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