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Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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raffe ich mich tatsächlich auf und gehe ins get. moving. Wie mir dieser Punkt zwischen Wörtern inzwischen auf die Nerven geht. Selbst in einem Haubenlokal hab ich das vor kurzem gesehen: eine Speisekarte, auf der »vor.speise« und »haupt.speise« stand, mich wundert fast, dass sie sich nicht über »s.uppe« getraut haben. Internet-Abfallprodukte.
    Ich ziehe mich um, um diese Zeit sind zum Glück noch nicht viele Menschen da, gehe ins Studio und werde von einer weiß gekleideten blonden Fitnesstrainerin mit Idealfigur gefragt, ob ich rechtzeitig meinen »personal trainer« gebucht hätte, der sei inbegriffen und müsse mir zuerst einmal ein Programm zusammenstellen.
    »Nein, aber wenn Sie mir zeigen, wie die Dinger funktionieren, dann setze ich mich einfach an eines der Geräte.«
    Sie schüttelt ihre Blondmähne. »Wir arbeiten seriös, das geht nicht, oder wollen Sie sich Muskelverspannungen, Einrisse oder noch Schlimmeres zuziehen?«
    Ich frage mich, was »noch Schlimmeres« sein könnte, schüttle dann aber brav den Kopf. Sie überredet mich zum Aufbaukurs Bauch, Bein, Po. Wenn ich schon einmal da sei … Das Ganze entpuppt sich als Gymnastikstunde mit Musik, allerdings ziemlich schweißtreibend. Das Mädel, das uns vorturnt, ist maximal achtzehn und wiegt keine fünfzig Kilo. Dafür sind lange nicht alle der hopsenden Bäuche, Beine und Pos in guter Form. Verglichen mit ein paar von denen, fühle ich mich jung und fit und schlank. Nur dass ich am Ende den linken Oberschenkel kaum noch heben kann. Pfffft.
    Als ich erledigt unter die Dusche kriechen will und mir überlege, wie viele Kalorien ich wohl gerade abgearbeitet habe und was ich mir daher zusätzlich zum Abendessen gönnen kann, begegnet mir Gerda.
    Sie sieht in ihrem hautengen Fitnessdress deutlich jünger aus als neununddreißig. Was will die an ihrer Figur noch verbessern? Gerda lächelt zufrieden. »Natürlich sind auch ein paar Tussis da, aber alles in allem ist das ein Superstudio.«
    »Na ja«, lautet meine vorsichtige Antwort. »Wie geht es dir?«
    »Du meinst … Ich bin in die Gästewohnung gezogen. Als ich meine Sachen zusammengepackt habe, hat er herumgeschrien, aber ich bin hinüber und hab zugesperrt und den Schlüssel quergedreht, sodass er mit seinem nicht rein kann. Ich werde das Schloss austauschen lassen.«
    »Und wie geht es weiter?«
    »Ich habe gesagt, ich komm erst wieder zurück, wenn er sich beruhigt hat.«
    Gerda jedenfalls klingt heute ziemlich beruhigt und ausgeglichen.
    »Wofür willst du eigentlich trainieren?«, frage ich sie. »Bei deiner Figur …«
    »Ich will fit bleiben, und außerdem könnte ich mehr Oberarm- und Bauchmuskeln brauchen.«
    Klingt so, als könnte man sich die kaufen.
    »Und was meint dein Mann dazu?«
    »Interessiert mich ehrlich gesagt nicht. Es ist schließlich mein Leben. Das Fitnesszeug ist gut für mein Selbstwertgefühl.« Sie sieht auf die Uhr. »Ich muss mich beeilen, ich muss Philipp vom Schlagzeugunterricht abholen, der Lehrer wohnt leider ziemlich weit außerhalb.«
    »Du vergisst nicht? Morgen, elf Uhr, Interview mit Jan Winter.«
    Gerda nickt und verzieht das Gesicht.
    Ich verstehe sie, der ewig lächelnde Laufguru ist auch nicht mein Fall.
    Mit dem schlimmsten Muskelkater meines Lebens sitze ich ihm dann gegenüber. Jan Winter, der lächelnd bis zu irgendeinem Camp auf dem Mount Everest gelaufen ist, der Vorträge vor tausenden Anhängern hält, Stadthallen füllt, von Plakaten strahlt und mit seinem knochigen Zeigefinger in die Luft sticht.
    »Auch du kannst es schaffen, Du hast es in dir!«, ruft er und reißt mich aus meinen Gedanken. Hat er mich gemeint? Nein, er redet weiter, und das Aufnahmegerät läuft sowieso. »Jeder kann es schaffen, das versuche ich den Menschen zu vermitteln, jeder kann wieder in Bewegung kommen, über sich hinauswachsen.«
    »Lächelnd«, ergänze ich.
    Er sieht mich ohne jeden Sinn für Humor an. »Natürlich. Weil es so leichter geht, Ihre innere Perspektive verschiebt sich hin zum Positiven, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Verstehe ich nicht ganz, was soll ein bisschen Gesichtsgymnastik an meiner »inneren Perspektive« ändern? Aber ich lasse ihn weiterreden. Wo bleibt Gerda? Ich brauche Fotos, der Typ ist ein Superpromi, er muss in unserer Reportage auch zu sehen sein, vielleicht könnte ich ihn lächelnd und mit ausgebreiteten Armen auf einem Stuhl stehend präsentieren? Das würde ich dann zum Lächeln finden, eher sogar schon zum
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