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Verrückt nach Emma

Verrückt nach Emma

Titel: Verrückt nach Emma
Autoren: Maja von Vogel
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Schuld.
     
    Nach der letzten Stunde stand Papa vor der Schule.
    »Was machst du denn hier?«, fragte ich.
    »Ich wollte euch abholen«, sagte Papa. »Dich und Tim.«
    »Toll!« Ich lächelte. »Sollen wir ein Eis essen gehen?«
    »Ein andermal.« Papa lächelte nicht zurück.
    »Ist was passiert?«, fragte Tim.
    Papa fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare. »Ihr dürft jetzt keinen Schreck bekommen, aber … es ist tatsächlich etwas passiert.« Er sah uns ernst an. »Mama liegt im Krankenhaus.«
    Mein Hals wurde ganz eng. »Was?«, stieß ich hervor. »Warum?«
    Papa zögerte. »Das sagt sie euch am besten selbst.«
    »Fahren wir jetzt zu ihr?«, fragte Tim. Seine Stimme klang heiser.
    Papa nickte. »Mama wartet schon auf euch.«
    Auf der Fahrt ins Krankenhaus redeten wir kein Wort. Papa konzentrierte sich auf den Verkehr, und Tim starrte aus dem Fenster. In meinem Kopf ging es drunter und drüber.
    Mama liegt im Krankenhaus …
    Sie hat Angst, dass die Kinder es nicht verkraften …
    Irgendwann müssen sie die Wahrheit sowieso erfahren …
    Mama wartet schon auf euch …
    Jetzt war es also so weit. Gleich würden wir die Wahrheit erfahren.
    Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich sie noch wissen wollte.
    Im Krankenhaus liefen wir durch lange Gänge. Meine Schuhsohlen quietschten bei jedem Schritt, und es roch komisch.
    »Das sind die Desinfektionsmittel«, sagte Papa. »Damit machen sie alles steril.«
    Aber ich fand, es roch nach Krankheit. Nach Krankheit und nach Traurigsein.
    Mama lag allein in einem Zimmer. Alles war schneeweiß. Die Wände, das Bettzeug und Mamas Gesicht. Über dem Bett hing ein Kreuz an der Wand.
Ein Kreuz?
Wir waren hier doch nicht in der Kirche. Oder auf dem Friedhof.
    Ich wollte Mama einen Kuss geben, aber ich traute mich nicht. In ihrem Handrücken steckte eine Nadel mit einem langen Schlauch dran. Aus einer Flasche tropfte eine Flüssigkeit in den Schlauch.
    »Da seid ihr ja.« Mama lächelte, als sie uns sah. Es war kein trauriges Lächeln, und mir wurde wieder ein bisschen leichter ums Herz.
    Papa schob Tim und mich näher zum Bett. »Ich hol uns mal was zu trinken.« Er ging hinaus.
    Es wurde still im Zimmer. Mama sah müde aus. Ich hatte Angst, sie könnte einfach einschlafen.
    »Tut das weh?« Ich zeigte auf die Nadel in ihrem Handrücken.
    »Nur ein bisschen«, sagte Mama.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Tim.
    »Mir war heute Morgen ein wenig schwindelig«, sagte Mama. »Darum hat mich der Arzt ins Krankenhaus geschickt, und die haben mich gleich dabehalten.«
    »Musst du lange hier bleiben?«, fragte Tim.
    Mama zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich noch nicht genau. Erst mal bis morgen. Zur Beobachtung. Und dann sehen wir weiter.«
    Ich holte tief Luft. »Bist du sehr krank?«
    »Nein.« Mama lächelte. »Eigentlich bin ich überhaupt nicht krank.«
    »Du kannst uns ruhig die Wahrheit sagen«, sagte ich. »Wir sind doch keine Babys mehr. Du hast gar keine Magenverstimmung, oder?«
    »Nein.« Mama lächelte immer noch. »Dir kann man nichts vormachen, was?«
    »Aber warum bist du dann hier?«, fragte Tim.
    Mama sah von Tim zu mir. »Ich hätte es euch schon längst sagen sollen«, fing sie an, »aber ich wusste einfach nicht, wie.«
    Ich umklammerte meinen Rucksack und dachte immer nur:
Bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht …
    »Was hättest du uns längst sagen sollen?«, fragte Tim.
    Mama holte tief Luft. »Ich bekomme ein Baby.«
    »Was?« Ich zwinkerte verwirrt.
    »Ein Baby?«, wiederholte Tim.
    Mama nickte. »Ihr bekommt ein Geschwisterchen.« Sie sah uns erwartungsvoll an.
    Ich starrte zurück. Ich verstand noch nicht richtig. »Heißt das, du bist gar nicht krank? Aber warum hast du dann Tabletten genommen? Ich hab gesehen, dass welche auf deinem Nachttisch liegen.«
    »Meinst du die Magnesiumtabletten?«, fragte Mama. »Die hat mir mein Arzt verschrieben, weil ich nachts manchmal fürchterliche Wadenkrämpfe bekomme. Außerdem wird einem in den ersten Schwangerschaftsmonaten oft übel, man ist müde und hat keinen Appetit. Das ist ganz normal.«
    Ich merkte, wie mein Hals eng wurde. Etwas stieg meine Kehle hinauf. Ich wollte es hinunterschlucken, aber das klappte nicht.
    »Was ist denn los, Emma?«, fragte Mama. »Das ist doch kein Grund zum Weinen.«
    »Ich … weine … doch … gar nicht«, schluchzte ich. Dann konnte ich nichts mehr sagen. Ich konnte nur noch heulen.
    »Komm mal her.« Mama streckte die Arme aus, und ich warf mich
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