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Verräterische Lippen

Verräterische Lippen

Titel: Verräterische Lippen
Autoren: Carter Brown
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erstreckten sich
Rasenflächen. Vom Eingang zu den Büroräumen führte ein langer Flur, dessen
rostbrauner Teppichbelag mich an Coups und Gegencoups und das Blut der
Revolution erinnerte.
    »Señor
Roberts«, sagte Rodriguez weltgewandt und blieb vor einer schweren dunklen
Holztür stehen. Einer der Polizisten langte an mir vorbei, um sie aufzumachen.
»Hier hinein, bitte.«
    In
dem Raum stand ein langer, polierter Tisch, umgeben von sieben hochlehnigen Stühlen, die den Eindruck machten, als hätten
sie dem ersten Großherzog gehört. Zwei der Stühle waren besetzt. Beide Männer
betrachteten mich mit eisigen Mienen, die zu den braunen Steinwänden des Raumes
paßten.
    Rodriguez
schloß die Tür, während die beiden Polizisten draußen Posten bezogen. Dann trat
er an den Tisch und zog einen Stuhl hervor. »Bitte, nehmen Sie Platz, Señor
Roberts«, forderte er mich auf.
    Ich
setzte mich und tauschte unbeteiligte Blicke mit den Herren mir gegenüber aus.
Der Außenminister ließ sich neben mir nieder. Er war fast zwanzig Zentimeter
kleiner als ich und auch kleiner als die anderen beiden, aber er saß so gerade,
als habe er ein Lineal verschluckt und blähte im Bewußtsein seiner Macht die
Lungen.
    »Meine
Herren, dies ist Randall Roberts, dessen Aufgabe Sie kennen«, erklärte er in
knappem Ton. Dann sah er mich an und deutete nacheinander auf die anderen.
    »General Ortez und unser Polizeichef, Oberst Jesus Hernandez
Juárez.«
    Ich
reichte jedem der beiden Männer über den Tisch hinweg die Hand. General Ortez lächelte und nickte lebhaft, was mich angenehm
berührte. Wenigstens einer dieser Leute schien menschliche Züge zu haben.
    Juarez
wirkte verbissen, und seine Hand fühlte sich an wie aus Stahl.
    Sowohl
der General als auch der Polizeichef trugen Uniformen. Anscheinend lagen sie
beide im Wettstreit, wer die meisten Orden tragen konnte, ohne
vornüberzukippen. Der General hatte offensichtlich einen gewissen Vorsprung,
was vielleicht der Grund dafür war, daß der Polizeichef so aussah, als könnte
er auf der Stelle jemanden erschießen.
    »Die
Situation ist sehr ernst, Señor Roberts, wie Sie begreifen werden«, sagte
Juarez feierlich. »Wir fürchten um das Leben der Señorita .«
    »Das
tut ihr Vater auch«, entgegnete ich.
    Juarez
hatte ein breitflächiges, bräunliches Gesicht. Sein vollippiger Mund war von einem buschigen Schnurrbart überwuchert. Das schwarze, ölige Haar
trug er in einer hohen Welle über der faltendurchfurchten Stirn zurückgekämmt.
Der Blick seiner intelligenten, dunklen Augen ließ keinen von uns unbeobachtet.
Er machte den Eindruck eines Mannes, der niemals aufhört zu denken, daß alle
Bösewichter dieser Welt darauf aus sind, gerade ihn zu erledigen.
    »Und
Sie hoffentlich ebenfalls ?« ließ sich General Ortez wohlwollend vernehmen.
    »Ich
bin um fünfundzwanzigtausend Dollar reicher, wenn sie am Leben bleibt«,
antwortete ich gleichmütig. »Der Gedanke, so viel Geld zu verlieren, dürfte
jeden beunruhigen .«
    »Das
ist ein anderer Punkt«, erklärte Rodriguez beiläufig. »Falls das Mädchen
umkommt, ist es natürlich unsere Pflicht, jeden zu töten, der mit dem
Verbrechen in Zusammenhang steht. Ich möchte hoffen, daß Ihnen in einem
derartigen Fall nichts zustößt. Garantieren können wir das leider nicht .« Er lächelte zum erstenmal, was ihn nicht unbedingt
sympathischer machte.
    »Okay,
ich verstehe. Präsident Mendez hat mich leider nicht vorgewarnt, daß ich in ein
politisches Kreuzfeuer geraten würde. Aber das hätte ich mir eigentlich denken
können .«
    »Darüber
würde ich mir keine Gedanken machen, Señor Roberts«, meinte Rodriguez
liebenswürdig. »Ihre Aufgabe ist es lediglich, über die Freilassung der
Señorita zu verhandeln .«
    »Und
wenn ich keinen Erfolg habe, verlasse ich das Land am besten auf schnellstem
Wege ?«
    Rodriguez
musterte mich durchbohrend. »Ohne offizielle Erlaubnis würde ich das Land an
Ihrer Stelle nicht zu verlassen versuchen, Señor Roberts .« Er machte eine Pause. »Und jetzt werden wir Sie über die Einzelheiten der
Situation informieren .«
    »Keine
schlechte Idee«, bemerkte ich bissig. »Nachdem Sie nun versucht haben, mir
Angst einzujagen, wollen Sie mir beweisen, wie hilfreich Sie sein können. Hören
Sie lieber auf mit Ihrer psychologischen Kriegführung, und kommen Sie zu den
nackten Tatsachen! Zum Beispiel — wie haben sich die Entführer mit Ihnen in
Verbindung gesetzt? Und an wen haben sie sich gewandt
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