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Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition)
Autoren: Heather Gudenkauf
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gefunden hatte, rief ich die Polizei an. Ich wollte ihnen sagen, dass ich es gewesen war, ich, ich, ich. Aber als sie schließlich bei uns vorfuhren, konnte ich nur weinen, und Allison sagte mir, ich solle den Mund halten. Also habe ich das getan. Und sie haben sie mitgenommen.
    Eine lange Zeit tat es mir so leid, zu wissen, dass sie meinetwegen im Gefängnis saß, während ich zu Hause war, zur Schule ging, mein Leben lebte. Aber es hat nicht lange gedauert, dann bin ich dahintergekommen. Es war wie damals, als wir klein waren und nur noch ein Stück Kuchen übrig war. Allison hat immer die Seite mit den Blumen genommen, und für mich blieb nur die mit dem weißen Guss. Sie hatte es wieder getan, hatte wieder die Seite mit den Blumen genommen. Sie durfte gehen; sie durfte von hier fortgehen, selbst wenn es ins Gefängnis war, und ich musste bleiben. Damals fingen sie an, mich so anzusehen. Sie wollten, dass ich so wurde wie sie. Als ich es nicht tat, hörtensie auf, mich anzusehen. Was noch schlimmer war. Und dann tat es mir nicht mehr leid.
    Man kann den Druid River hören, bevor man ihn sieht. Er verläuft in südliche Richtung durch die Innenstadt und dann durch die Landschaft hinter unserem Haus. Er windet und biegt sich, bis er in den Mississippi fließt, und dann ist es, als hätte er nie existiert; er verschwindet einfach im Nichts. Wie von Zauberhand. In diesem Teil der Stadt riecht der Fluss normalerweise nach totem Fisch und dem Benzin der Motorboote, aber der Regen hat das alles weggewaschen, und die Luft ist frisch und sauber. Ich stehe am Rand des asphaltierten Fußweges, hoch über dem schwarzen Wasser. Druid heißt Zauberer. Magie.
    Ich habe Angst. Große Angst. Ich schaue mich nach Allison um, will meine Schwester. Jemand berührt meinen Arm. „Alles in Ordnung?“
    „Ich will meine Schwester“, sage ich und fange an zu weinen. „Er braucht seine Schwester. Ich muss ihr sagen, dass er kommt.“
    „Kann ich jemanden für dich anrufen?“, werde ich gefragt.
    „Nein, nein, nein, nein“, erwidere ich. „Ich muss es ihr sagen.“
    Als ich über den Abgrund trete, spüre ich die Panik. Ich falle ins kalte Wasser, und es dringt mir in Ohren, Nase und Mund. Ich versuche, nach meiner Schwester zu rufen, aber meine Worte werden durch das Wasser erstickt. Als ich aufhöre, mich zu wehren, aufhöre, zu kämpfen, sehe ich sie. Sie ist perfekt, so winzig, genau, wie ich sie in Erinnerung hatte. „Er kommt“, erzähle ich ihr und strecke meine Hand nach ihrer aus. „Er wird bald hier sein.“ Und als ich sie in die Arme schließe, sinken wir langsam auf den Grund des Flusses, um zu warten.

CHARM
    Charm verkauft das Haus und nimmt ein wenig von dem Geld, das Gus ihr nach seinem Tod hinterlassen hat, um sich ein verlässlicheres Auto zu kaufen. Nach dem fürchterlichen Abend weiß sie, dass sie Linden Falls verlassen muss. Trotzdem hat sie acht Monate gebraucht, um wirklich alles zu packen und wegzufahren.
    Der Gedanke, sich von Joshua zu verabschieden, ist fürchterlich. Schon beim ersten Mal war es schwer. Das zweite Mal wird aber noch schlimmer. Dieses Mal weiß Charm, dass sie nicht zurückkommen wird. Niemals.
    Am Tag bevor sie fährt, ruft Charm bei Claire an und fragt, ob sie im Laden vorbeikommen und Tschüss sagen kann. Glücklicherweise sagt Claire Ja. Als Charm ankommt, läuft Joshua durch den Laden und versucht, Truman dazu zu bringen, ihn zu jagen. Sobald er Charm bemerkt, bleibt er stehen und schaut sie nachdenklich an.
    „Du hast in mich reingeatmet“, bemerkt er ernst.
    Charm beißt sich auf die Lippen, weil sie nicht weiß, was sie sagen soll.
    „Josh, Kumpel“, sagt Claire. „Charm ist nur vorbeigekommen, um sich zu verabschieden. Wir fahren in ein paar Tagen.“
    Joshua denkt darüber nach. „Wir bleiben bei meiner Grandma in …“
    „Josh“, warnt Claire ihn. „Denk daran, es ist ein Geheimnis. Wir wollen Grandma überraschen.“
    „Ich hoffe, dass du jede Menge Spaß mit deiner Grandma hast, Joshua.“ Charm zwingt sich, die Tränen zurückzudrängen, die ihr in die Augen steigen. Sie ist unendlich traurig, weil sie spürt, dass Claire nicht will, dass sie weiß, wohin sie fahren. „Ich wollte dir nur Tschüss sagen, bevor ihr fahrt. Ich werde dich vermissen, Josh.“ Charm kniet sich hin und streckt die Arme aus, um sich von Joshua zu verabschieden. Sie merkt, dass Claire sich versteift, aber das ist ihr egal. Sie zieht Joshua in die Arme und hältihn ganz fest,
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