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Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition)
Autoren: Heather Gudenkauf
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weint Claire.
    Jonathan zieht sein Handy aus der Jeanstasche und wählt. „Wir brauchen Hilfe“, sagt er panisch und gibt die Adresse des Buchladens durch. „Ich weiß nicht … ich weiß nicht … Bleiben Sie bitte kurz dran …“
    „Oh mein Gott … Joshua .“ Claire zieht an Joshuas Hemd und versucht, ihn aus der Badewanne zu zerren. Seine Kleidung ist komplett durchnässt, er ist schwer und unbeweglich und entgleitet immer wieder ihrem Griff. Jonathan drückt Allison das Telefon in die Hand, beugt sich über die Wanne, packt Joshua an den Haaren, zieht ihn an die Oberfläche und in seine Arme. Atemlos erklärt Allison dem Vermittler am Telefon, dass er sofort einen Krankenwagen schicken muss.
    Charm, die noch vor wenigen Minuten wegen der Schimpftiraden ihrer Mutter beinahe hysterisch war, ist nun ganz geschäftig und gefasst. „Leg ihn hin“, befiehlt sie Jonathan. Vorsichtig legt er Joshua auf den Parkettboden, und Claire keucht auf, als sie seine blaue Haut sieht, die Brust, die sich nicht bewegt. Charm legt das Ohr an seinen Mund und fragt dabei: „Ist der Krankenwagen unterwegs?“
    „Ja, sie kommen.“ Allison weint.
    Charm beugt sich über Joshua, um sich zu vergewissern, dass seine Atemwege frei sind. Claire und Jonathan können nur hilflos zusehen.
    „Warte unten auf den Rettungswagen, und bring die Sanitäter hier hoch“, ordnet Charm an, während sie an Joshuas Hals nach seinem Puls sucht. Allison rennt die Treppe hinunter.
    „Atmet er noch?“ Claires Stimme bricht.
    Charm schüttelt kurz den Kopf und presst ihren Mund auf Joshuas, um ihn zu beatmen. Dann fängt sie mit der Herzmassage an, wobei sie auf seiner kleinen Brust nur eine Hand benutzt.
    In der Ferne ertönt das Heulen der Sirenen. „Atmet er?“, fragt Claire erneut, weiß aber, dass er es nicht tut. Sie klammertsich an Jonathan, und gemeinsam warten sie verzweifelt darauf, irgendein Lebenszeichen ihres Jungen zu sehen. „Bitte“, betet Claire wieder und wieder. „Bitte.“ Nur ein Gedanke geht ihr dabei durch den Kopf: Ihr war dieses wertvolle Leben anvertraut worden. Sie sollte sich um Joshua kümmern und ihn beschützen. Sie hatte jämmerlich versagt.

CHARM
    „Atme! Eins, zwei, drei, vier …“, presst Charm mit jedem Druck auf das Herz hervor. Sie zählt bis dreißig, bevor sie erneut von vorn beginnt. Sie hat jegliches Gefühl dafür verloren, wie lange sie die Herz-Lungen-Massage schon durchführt. Ihr werden die Arme müde, aber in der Ferne hört sie die Sirenen. Gott sei Dank.
    Neben sich hört sie Jonathans erschüttertes Schluchzen und Claire, die Joshua anfleht, endlich wieder zu atmen. „Bitte atme, Joshua, bitte.“
    Charm spürt noch weitere Blicke auf sich und hebt den Kopf. Als sie ihre Mutter und Binks an der Tür stehen sieht, empfindet sie heißen Zorn. „Raus hier!“, schreit sie. „Geht jetzt – wir brauchen Platz für die Sanitäter.“ Ohne ein weiteres Wort verschwinden Reanne und Binks. Charm weiß, auch wenn ihre Mutter das Drama liebt, das hier hat sie sicher nicht gewollt. Die Sirenen werden lauter, und kurze Zeit später laufen die Sanitäter die Treppe hoch. Charm drückt noch ein letztes Mal auf Joshuas zierliche Brust, und plötzlich verkrampft er sich und Wasser schießt aus seinem Mund. Dann fängt er an zu atmen – kurze, flache Atemzüge, aber er atmet. Erschöpft lässt Charm sich gegen die Wand sinken. Die Sanitäter übernehmen, und Sekunden später wird Joshua bereits hinausgetragen.
    „Danke.“ Mehr kann Claire im Moment nicht sagen. Sie legt Charm eine Hand auf den Arm, dann folgt sie gemeinsam mit Jonathan den Sanitätern.
    Allison kniet sich neben Charm auf die Erde. Ihre Augen sind rot vom Weinen. „Du hast ihn gerettet.“
    Warum, fragt sich Charm, fühlt es sich dann so an, als wäre ich diejenige, die sein Leben ruiniert hat?

CLAIRE
    Jonathan und Claire folgen dem Krankenwagen in Jonathans Truck. „Er hat geatmet, oder? Er hat doch geatmet?“, fragt Claire nervös.
    „Ja, das hat er“, versucht Jonathan seine Frau und sich selbst zu überzeugen. „Meine Güte, was ist da oben bloß passiert?“, will er wissen, doch Claire schüttelt nur den Kopf. Sie hat keine Ahnung, warum Joshua in der Badewanne lag, was in Brynns Kopf vorgegangen ist. Will es sich auch gar nicht vorstellen. Wenn Claire bei klarem Verstand gewesen wäre, hätte sie Joshua niemals mit Brynn Glenn nach oben geschickt. Sie kannte das Mädchen doch gar nicht und hatte eben erst erfahren, dass
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