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Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)

Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)

Titel: Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)
Autoren: Herbert Hintersteininger
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stur zu werden. Als wir am 31. Juni von Juskuy aus in den Einsatz fuhren; einige Tage am Waldrand in Bereitstellung lagen und am 5. Juli angriffen, um das starke russische  Verteidigungssystem zu zerschlagen, hatte ich noch keine Ahnung vom Krieg.
    In der Schlucht, wo unsere Division den Brückenkopf bildete, kam die Ahnung um so schneller. Das Unternehmen wurde abgebrochen und am 22. Juli rollten wir nach Süden, um einen russischen Brückenkopf zu vernichten.
    Dieser Einsatz am Mius dauerte 8 Tage (russische Bombenangriffe, Artillerieüberfälle am Waldrand). Ausgangspunkt dieses Einsatzes war Rikowo, ein kleines Städtchen, so gar nicht russisch. Ich werde es immer in angenehmer Erinnerung behalten. Die kleine Nadja hat am meisten Schuld daran. Ich sah sie nur eine Stunde lang und war, soll ich sagen, verliebt? Als wir von dort wegfuhren, mußte ich oft an sie denken und weil ich wusste, daß ich sie wiedersehen würde, wartete ich nur mehr darauf.
    Am 5. August war es endlich so weit. Als ich sie nach 8 Tagen wiedersah, gab es meinem Herzen einen Stich, mein ganzer Körper war in Aufwallung, ein untrügerisches Zeichen.
    2 Stunden Klavierspiel bei ihr, brachte mir das glückliche Gefühl der Zufriedenheit und des Geborgenseins. Ich musste mich gewaltsam aus meinen Träumen reißen, um den Anstand nicht zu vergessen. Der Abschied war so, als ob ich nur wegen des Klaviers gekommen wäre.
    Und jetzt will ich versuchen, meine Stimmung einen Tag nachher wiederzugeben. Ich  hätte heulen mögen. Ich sehe ihr Bild vor Augen, meinen Stern finde ich am russischen Abendhimmel und nur weil er über russischer Erde glänzt, soll ich ihn nicht lieben dürfen? Ich war dem Heulen nahe, als ich an ihre nachgeschickten Grüße dachte. Das war nur ein zeitweiliger Ekstasezustand, der mich aber bestimmt noch öfter überfällt. Augenblicklich bin ich davon nicht befallen, wohl durch die Angriffe russischer Bomber und Jäger ziemlich ernüchtert.
    Es handelt sich hier zweifellos um Liebe auf den ersten Blick. Ich weiß genau, daß ich mir keine Fortsetzung der Liebe wünschen darf, daß es ganz zwecklos ist, es zu ersehnen und ich erhoffe mir auch gar nichts. Trotzdem will ich dieses kleine Erlebnis nicht vergessen, weil ich weiß, daß es von Bedeutung für mich ist. Dies ist nur eine Ahnung, drum kann ich es nicht begründen. Ich schäme mich nicht zu sagen, daß ich eine Russin geliebt habe. Für mich war sie eine Frau und keine Russin. Darum werde ich auch nicht versuchen, sie ganz zu vergessen. Ich will sie nicht weiterlieben, aber sie hat ein Anrecht darauf, nicht ganz aus meiner Erinnerung weggewischt zu werden. Sie zeigte mir das Bild meiner (zukünftigen) Frau. Das Bild war so vollkommen, daß ich schon glaubte, sie sei die Frau selbst.
    Ich will mich in nächster Zeit genauer betrachten, was mein Herz dazu sagt. Jetzt war die Vernunft überwiegend. Bestimmt kommen noch andere Augenblicke.
    Ich dachte eben an Ilse. Ich glaube, die beiden haben etwas Gemeinsames. Ihre Nähe wird mir gefährlich. Wie ich jetzt über Ilse denke? Ich denke gar nichts. Als mir Willi Hoffnungen machte, da flackerte ein Lichtchen wieder auf. Ist es ausgeloschen oder nur abgeschirmt? Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass mir der Urlaub Klärung bringt.
    Im Augenblick ist daran nicht zu denken, auf der Fahrt von Rikowo nach Scharkow-Belgorod in einen neuen Einsatz.
     
     
    15.8.1943
     
    In Korviagi, wo wir nun schon einige Tage liegen, habe ich Zeit wieder ein wenig nachzudenken.
    Scheinbar habe ich mich wieder in mir getäuscht. Ich habe Rikowo fast schon vergessen, auch die kleine Nadja, nur ihre Schönheit lässt mich öfter an sie denken. Ich kann mir sie kaum mehr vorstellen, aber ich vergesse nicht, dass sie sehr schön war. So wie sie muss meine Frau aussehen.
     
     
    17.10.43
     
    Man erlebt so seine Überraschungen. Die Frau meiner Träume hat sich also verlobt! Als ich es las, gab`s mir einen gewaltigen Stich. Aber die Wirkung war weitaus schwächer, als in früheren Tagen bei harmloseren Anlässen.
    Über die Jugendliebe bin ich schon hinaus, leider, diese Zeit habe ich nur sehr wenig auskosten können. Trotzdem, ich verdanke ihr die wenigen, glücklichen Stunden in dieser Zeit.
    Als ich sie zum ersten Male sah, es war am Schulbeginn 1939. Sie machte sofort einen starken Eindruck auf mich. Ich beobachtete sie heimlich, schaute immer nach ihr aus, wenn ich sie nicht sah. Fuhr mit Zügen, die mich zu spät zur Schule brachten, nur
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