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Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)

Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)

Titel: Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)
Autoren: Herbert Hintersteininger
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sein.
     
     
                                                                                     
    Goslar, 24. Mai 42
     
    Heute sind wir zum erstenmal aus dem „Gefängnis“ gekommen. Froh war mein Herz als wir aus der Drahtumzäunung hinausmarschierten in den grünen, blühenden Wald. Ob die pessimistische Bemerkung des Drahtverhaues wohl sich verträgt mit dem frohen Herzen?
    Ich kann das Ganze hier noch nicht recht fassen. Dass ich hier aber zu einem ganzen Mann erzogen werde, ist mir vollkommen klar. Ich freue mich schon darauf, mein inneres Kind vollkommen abzustreifen.
    Ich habe gehofft und tue es noch, in der Ferne zu erfahren, welche von beiden ich wirklich liebe. Jetzt habe ich sie noch alle „gerne“, weil mir alles von zuhause lieb ist. Das soll aber nicht Grund für dich zu sein, sentimental zu werden, wenn auch die ganze Umgebung so beschaffen ist. Um dies leichter zu überwinden, denke du immer an deine Vorbilder. Vor allem, musst du jetzt deine Willensschwäche niederringen und deinen wahren Charakter erkennen.
     
     
    Goslar, 28.V. 42
     
    Mein erster Geburtstag weit weg von zuhause. Gestern habe ich zum ersten Mal Post von zuhause bekommen. Der erste Brief war von Mitzi. Ich habe ihn absichtlich als ersten genommen. Das Warum ist mir nicht ganz klar. Der Brief war vom 23. Mai datiert, am Sterbetag meines Vaters, wie auch der Brief der Mutter, in dem sie mich fragt, ob ich auch daran gedacht hätte. Zuerst war ich erschrocken, dann aber sehr traurig, denn ich hatte vergessen, ganz einfach vergessen. Des dummen Menschen erster Gedanke galt der Wiedergutmachung des angetanen Unrechts.
    Soeben die Sondermeldung über die Beendigung der Schlacht bei Charkous.
     
     
    Goslar, 7.VI.1942
     
    Mein Wahlspruch am Anfang des Buches gibt mir zu denken, nachdem ich das Buch „Erkenne Dein Herz“ gelesen habe. Ich wollte doch immer nach ihm handeln und ihn zu meinem Wahlspruch erheben. Aber viel bin ich nicht über den Vorsatz hinausgekommen. Erkenne Dein Herz gilt auch und sogar besonders, für mich. Meine Unentschlossenheit, meine allzu große Angst vor Irrtümern, dann wieder mein Vergessen der Vorsätze, machen mir den Weg zu dem, was ich erreichen will, beschwerlich. Dazu kommt noch die Einsicht, daß es Vollkommenheit nur theoretisch gibt. Dies bloß hinzunehmen, ohne irgend etwas dagegen zu unternehmen, sehe ich als feige an. Aber wie das machen?
    Wenn ich beispielsweise nicht weiß, welches ich von 2 Mädchen ich liebe, was muss ich machen, um es zu erfahren? Muss man da seinen Charakter erforschen, um dann möglicherweise das Dilemma zu lösen?
     
     
     
    Goslar, 19.VI.42
     
    Ganz langsam übersteigt mich das Bewusstsein vom höheren Stand des Soldatentums. Natürlich bin ich davon noch nicht ganz eingenommen und mir immer dessen bewußt; das verschafft nun wieder Unzufriedenheit, ohne daß daraus das Bewusstsein stärker wird, obwohl das Verlangen danach drängt.
    Wenn etwas Soldatisches an mir ist, dann hat es bewirkt, daß ich mich zum Teil von den anderen nicht mehr so absondere, wie ich es früher tat. Allerdings treten Rückfälle, das schön finden am Alleinsein, auf.
    Grundsätzlich aber unterscheidet mich, daß ich überhaupt kein Verlangen nach sinnlichen Gefühlen hege und auch instinktiv keine habe. Wie sich dies später auswirken wird, kann ich mir ungefähr vorstellen, wenn ich den Glauben an die Vorsehung außer Acht lasse.
    Meine Liebe, die ich jetzt ziemlich eindeutig erkannt habe, wird das sein, was sie jetzt ist, eine liebe Bekanntschaft bzw. eine geliebte. Ich werde dann warten und hoffen, hoffen und warten und mich schließlich verlieben und heiraten.
     
     
                                                                                                            KL Wache, 12.7.42
     
    Ich habe schon lange nichts mehr geschrieben. Aber heute will ich es wieder einmal versuchen. Leider sind mir in dieser Zeit viele gute Gedanken verloren gegangen. Sie tragen allerdings nichts dazu bei, mich seelisch zu meinem Vorteile wesentlich zu ändern. Ich müsste mir immer vorhalten „Kehre zuerst vor Deiner eigenen Tür!“. Denn bei den anderen sehe ich, was falsch ist, mache aber so manches ebenso falsch, ohne als Beobachter zu lernen, weil ich eben nicht immer daran denke, daß ich noch viel erwerben
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